Existenzängste: Kommen Gastronomen und Einzelhändler über den Winter?

Der Albtraum geht weiter: Erst waren Selbstständige im Einzelhandel und Gastgewerbe von den Coronamaßnahmen übermäßig betroffen, nun sorgt die Energiekrise für Existenzängste. Wie groß die Sorgen sind und welche Folgen drohen, macht eine Umfrage von Lexware deutlich. Christian Steiger, Geschäftsführer bei Lexware und Founder von lexoffice, stellt die Ergebnisse vor und zeigt auf, woran es bei der Unterstützung von Selbstständigen in Deutschland mangelt.

Zuletzt aktualisiert am 07.03.2024
© Jigal Fichnter - Lexware

Was wären Städte und Gemeinden ohne Restaurants und Einkaufsgeschäfte, die von leidenschaftlichen und hart arbeitenden Selbstständigen betrieben werden? Die Antwort: weniger vielfältig, weniger bunt, weniger lebendig. Das kann keiner wollen – wird aber angesichts der aktuellen Energiekrise zu einer realen Gefahr.
 

Hohes Problem-Pensum, kaum tragbare Lösungen
In einer aktuellen Lexware Kund:innenumfrage* unter 2.800 Solo-Selbstständigen, Kleinst-, Klein und mittleren Unternehmen äußern sich insbesondere die rund 400 befragten Gastronom:innen und Einzelhändler:innen besorgt im Hinblick auf ihre wirtschaftliche Lage und Zukunft: 41 Prozent von Ersteren und ein Drittel von Letzteren (34 Prozent) haben sogar Angst um ihre Existenz – zum Vergleich: Im Durchschnitt sind es unter allen Branchen „nur“ 23 Prozent!

Zwei große Aspekte sind dafür ursächlich, die ineinandergreifen und zu den bereits bestehenden Themen wie Fachkräftemangel und Umsetzung des Mindestlohns kommen: Zum einen verläuft bei vielen Betroffenen das Geschäft schleppend bzw. hat noch nicht wieder das Vorkrisenniveau erreicht. In Anbetracht der Tatsache, dass Gastgewerbe und Einzelhandel in der Coronapandemie massive Einschnitte machen mussten – und möglicherweise in den kommenden Monaten wieder hinnehmen müssen – kommt dies nicht überraschend. Zum anderen verschärft die Energiekrise auf verschiedenen Ebenen die Situation.

So sind die beiden Branchen stärker als viele andere auf die Kaufkraft der Verbraucher:innen angewiesen, doch dieser droht ein historischer Einbruch. Die Folge: Restaurants bleiben leer, Waren bleiben im Regal und die Umsätze schwinden. Gleichzeitig sorgen die steigenden Energiekosten dafür, dass benötigte Materialien oder Waren teurer werden. Auch hier sind das Gastgewerbe (77 Prozent) und der Einzelhandel (67 Prozent) wesentlich stärker betroffen als der Branchendurchschnitt (41 Prozent). Zwar sehen die Befragten Möglichkeiten zu reagieren – Kosten umlagern und Preise erhöhen, Investitionen aufschieben, Personal einsparen – doch diese Lösungen ziehen andere Probleme nach sich, beispielsweise Kundenverluste, wenn sie höhere Preise nicht mittragen können oder wollen, oder Wettbewerbsnachteile. Groß ist daher die Sorge bei der Mehrheit der Befragten (Gastgewerbe: 86 Prozent; Einzelhandel: 79 Prozent) beim Blick auf die steigenden Kosten.

Unterstützung ist mangelhaft und intransparent
Erschreckend dabei: Zwei von fünf Befragten aus dem Gastgewerbe (40 Prozent) denken ernsthaft darüber nach, ihr Geschäft aus wirtschaftlichen Gründen aufzugeben. Und auch unter den Einzelhändlern sind es noch ein Fünftel (20 Prozent). Fast noch erschreckender ist allerdings, wie mangelhaft die Unterstützung von staatlicher Seite aussieht. Trotz dreier Entlastungspakete fehlen noch immer gezielte Maßnahmen für Selbstständige. Dass sich dann zum Beispiel drei Viertel der Einzelhändler (75 Prozent) vom Staat schlecht unterstützt fühlen, sollte keine große Überraschung sein.

Und auch grundsätzlich braucht es eine bessere Förderung von Selbstständigen und eine bessere Kommunikation dieser. Denn während mehr als zwei aus fünf Befragten (Gastgewerbe: 44 Prozent; Einzelhandel: 43 Prozent) überzeugt sind, dass es für sie gar keine passende Förderung gibt, herrscht bei 40 bzw. 35 Prozent Unsicherheit, ob und welche Förderungen für sie überhaupt in Frage kommen. Transparente Strukturen und schnelle Prozesse sind notwendig. Ein Beispiel, wie es nicht sein sollte, ist die Energiepreispauschale: Selbstständige ohne Steuervorauszahlung bekommen diese Unterstützung über die Steuererklärung 2022 – die Hilfe lässt also noch Monate auf sich warten und erfüllt damit ihren Zweck nicht.

Geschäftsaufgaben haben weitreichende Folgen
Die aktuelle Krise werden wir nur gemeinsam erfolgreich stemmen können, doch dafür müssen die Bedürfnisse und Sorgen aller Gehör finden. Gerade Gastronom:innen (48 Prozent) und Einzelhändler:innen (46 Prozent) fühlen sich jedoch alleine gelassen – was für Deutschland kurz- und langfristig ernsthafte Konsequenzen nach sich ziehen könnte. Die Frage ist, wann reagiert der Staat?


*Methodik:
In einer Online-Umfrage befragte Lexware im Zeitraum von 18. bis 25. August 2.784 ihrer Kund:innen in Deutschland. Darunter 111 Vertreter:innen aus Gastronomie/Gastgewerbes und 286 aus dem Bereich Einzelhandel.