Trendradar: Trendwende für Selbstständige

Prognosen sind ja immer so eine Sache – man versucht aus Daten der Vergangenheit die Zukunft vorherzusagen. Dies war wahrscheinlich selten so schwer wie heute angesichts der drei Krisenjahre, die wir inzwischen hinter uns haben. Inwieweit lassen sich auf dieser Grundlage überhaupt Erkenntnisse für die Zukunft ableiten? Wir wollen dennoch gemeinsam mit unserem langjährigen Partner Statista einen Ausblick wagen.

Zuletzt aktualisiert am 09.10.2024

Die Datenexperten von Statista berücksichtigen in ihren Modellierungen verschiedene Aspekte – BIP, Country Insights, Konsumentenbefragungen, Wirtschaftsprognosen führender Institute sowie Einschätzungen aus der Politik – um trotz aller Unsicherheit aussagekräftige Ergebnisse zu liefern – und diese stimmen uns vorsichtig positiv. Die deutschen Solo-Selbstständigen, Kleinst- und Kleinunternehmer:innen zeigen einmal mehr ihre Widerstandskraft in Krisenzeiten. 

Der Abwärtstrend wird gestoppt 

Nichtsdestotrotz muss man natürlich festhalten, dass die multiplen Krisen Folgen haben: Lagen wir 2019 noch bei fast 4,1 Millionen Solo-Selbstständigen und KKUs, werden es in diesem Jahr nur noch etwa 3,8 Millionen sein, also ein Minus von ungefähr 300.000. Auch die Anzahl der Beschäftigten in diesen Unternehmen ist um 400.000 auf 12,2 Millionen gesunken – was aber immer noch mehr als einem Viertel aller Erwerbstätigen in Deutschland entspricht.  

Die gute Nachricht: Selbst bei einer pessimistischen Datenmodellierung haben wir die Talsohle inzwischen durchschritten und die Anzahl der Solo-Selbstständigen und KKUs wird in diesem und auch im nächsten Jahr wieder steigen. Mit dem Grundstück- und Wohnungswesen existieren heute in einer Branche sogar mehr Unternehmen als noch 2019. Alle anderen mussten in den letzten drei Jahren Verluste hinnehmen, aber dieser Trend kehrt sich jetzt wieder um. 

„Wir haben zwar keine Glaskugel, die uns die Zukunft genau verrät, aber wir können anhand verschiedener offizieller Daten und Variablen eine solide Prognose darüber abgeben, wie sich der Markt entwickeln wird. Deshalb sehen wir – allen negativen Schlagzeilen und Schreckensnachrichten zum Trotz – mittlerweile am Horizont wieder einen Silberstreifen für Solo-Selbständige und KKUs.“ – Robin Rehfeldt, Senior Analyst Statista Q 

Auch wir haben uns in den vergangenen Monaten eher mit den Schattenseiten der Krise beschäftigt, beispielsweise den – teilweise dramatischen – Folgen der Energiekrise. Was legitim ist, schließlich spüren wir diese Auswirkungen massiv in unserem Alltag, sei es beim Blick auf die Heizkostenabrechnung oder wenn der Bäcker um die Ecke schließen muss. Darüber vergisst man aber schnell, dass sich aus Krisen immer auch neue Chancen ergeben. Und es viele Menschen gibt, die diese Chancen bereitwillig ergreifen, die sich denken „Jetzt erst recht!“. 

 

 

Krise als Chance begreifen 

Genau denselben Trend konnten wir schon nach der Finanzkrise 2007/08 beobachten: So gab es 2009 natürlich eine hohe Zahl an Insolvenzen und Gewerbeabmeldungen, dennoch lag die Anzahl der Neugründungen insgesamt höher. Eine Krise zeigt auch oft auf, woran es mangelt, wo der Markt noch Lücken aufweist. Die Coronapandemie hat beispielsweise Defizite bei der Digitalisierung schonungslos offengelegt. Die gilt es in den nächsten Jahren zu beseitigen – wer dafür eine Idee hat, für den ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, sie umzusetzen.  

Außerdem führt eine Krise auch dazu, dass so mancher sein Leben und seine Arbeitssituation hinterfragt – will man im Hamsterrad bleiben oder vielleicht doch endlich sein eigener Chef werden? Auch das ist eine Motivation, warum Menschen im vermeintlich schlechtesten Moment die Entscheidung treffen, sich selbstständig zu machen. Sie wollen Veränderung und glauben an sich und ihre Ideen. 

Natürlich ist die Selbstständigkeit immer mit einem gewissen Risiko verbunden, das einige abschreckt. Sie bietet aber auch die Freiheit, sich selbst zu verwirklichen, endlich das zu machen, wovon man bisher nur geträumt hat. Und wenn der bisherige Arbeitgeber versucht, an jeder Ecke Kosten einzusparen, vielleicht sogar Personal entlässt und sich die Arbeitsbedingungen nach und nach verschlechtern, gelangen manche an den Punkt, an dem die Selbstständigkeit für sie die bessere Option ist. Nach dem Motto: jetzt oder nie! 

Dementsprechend sehen wir für dieses und nächstes Jahr auch einen leichten Aufwärtstrend bei der Anzahl der Unternehmensgründungen. Bei einer optimistischen Wachstumsprognose kommen wir für 2023 auf knapp 512.000 und für 2024 sogar auf gut 514.000 Neugründungen.  

 

Was auch zur Wahrheit gehört: Nicht jede neue Unternehmung wird – dauerhaft – von Erfolg gekrönt sein. Neben der richtigen Idee und Mut braucht es auch Leidenschaft, Durchhaltevermögen und die richtigen Rahmenbedingungen. Gerade bei Letzterem haben wir in Deutschland noch einiges an Nachholbedarf. Dennoch können wir davon ausgehen, dass von der halben Million Unternehmen, die in diesem Jahr gegründet werden, 2026 noch etwa die Hälfte existieren wird. Die Chancen könnten definitiv schlechter stehen. 

 

Fazit 

Zweifellos ist die wirtschaftliche Situation derzeit nicht leicht, insbesondere für Solo-Selbstständige und KKUs, die oft weniger Unterstützung erfahren als andere Unternehmen. Doch die Daten zeigen, dass sie sich davon nicht unterkriegen lassen – im Gegenteil: Wir könnten in den kommenden Jahren eine neue Gründerzeit erleben. Solo-Selbstständige, Kleinst- und Kleinunternehmer:innen sind das Rückgrat unserer Wirtschaft und sie zeigen große Resilienz und eine Jetzt-erst-recht-Mentalität. Das ist für uns alle ein gutes Zeichen.  

Fazit

Mit Blick auf ihre Finanzen überlegen 16 Prozent der Befragten derzeit ernsthaft, ob sie ihr Geschäft aufgeben sollen. Sollte es tatsächlich so kommen, wäre dies ein erheblicher Verlust für unsere Wirtschaft, unsere Städte und Gemeinden, unseren Alltag. Und für sehr viele Menschen würde es das Ende ihres beruflichen Lebenstraums bedeuten. Wir sollten und wir müssen alle Hebel in Bewegung setzen, um das zu verhindern. Die Bundesregierung hat das zwar auch inzwischen erkannt, aber die Maßnahmen entlasten immer noch zu wenig. Doch auch Verbraucher:innen können die Unternehmer:innen und die Selbstständigen unterstützen. Gerade jetzt im Weihnachtgeschäft können Sie, sofern sie es sich aktuell leisten können, einen Beitrag leisten: Indem sie regional und lokal einkaufen und wann immer möglich den Einzelhandel dem Discounter vorziehen.  

* Methodik 
 Zur Erstellung des Datensatzes und der Modellierung wurden ausschließlich Quellen von anerkannten Institutionen verwendet. Die Daten für Anzahl der Unternehmen und ihrer Mitarbeiter basieren auf Auszügen aus dem Unternehmensregister, bereitgestellt vom Statistischen Bundesamt in der Genesis Datenbank. Die Modellierung der KMUs basieren auf das Unternehmensregister 2018, 2019 & 2020 und weitere Kennzahlen zu KMU, ebenfalls bereitgestellt vom Statistischen Bundesamt. 
Die Wachstumsraten beruhen auf BIP-Prognosen von Statista und Zeittrends der Wachstumsraten der Beschäftigtengrößenklassen. Eine optimistische Wachstumsprognose geht von einem 20 Prozent stärkeren Wachstumsrate im Vergleich zur neutralen Statista Wachstumsprognose aus, eine pessimistische von einer um 20 Prozent schwächeren Wachstumsrate. 
Die Anzahl der Unternehmensgründungen wurden dem KfW-Barometer entnommen. Die fehlenden Unternehmensgründungen wurden nach den nicht erfassten Solo-Selbständigen reingewichtet.