Vollkostenrechnung

Viele Unternehmen setzen auf eine Vollkostenrechnung, um Kosten vollständig zu erfassen. Dieses System hilft dabei, Preise für Produkte oder Dienstleistungen zu kalkulieren und den wirtschaftlichen Erfolg einer bestimmten Zeitspanne zu bewerten. Im Gegensatz zu einer Teilkostenrechnung, bei der nur variable Kosten berücksichtigt werden, werden bei der Vollkostenrechnung sowohl fixe als auch variable Kosten auf die Produkte oder Dienstleistungen umgelegt. Dadurch liefert sie eine umfassende Grundlage für Entscheidungen im Rechnungswesen und der Kosten- und Leistungsrechnung.

Zuletzt aktualisiert am 26.02.2025
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Definition

Was ist eine Vollkostenrechnung?

Bei der Vollkostenrechnung werden sämtliche Kosten auf die Produkte verrechnet. Somit bezieht sich die Rechnung auf alle innerhalb eines Unternehmens anfallenden Kosten. Sie besteht üblicherweise aus Folgenden: 

Sie wird von vielen Unternehmen im Alltag angewendet. Ziel der Vollkostenrechnung ist es unter anderem, die Kosten eines Unternehmens auf die Kostenträger zu verteilen. Zu den weiteren Zielen und Aufgaben der Vollkostenrechnung zählen zudem diese: 

  • Definition der Preisuntergrenze
  • Preiskalkulation
  • Ermittlung entstandener Kosten eines Kostenträgers
  • Beurteilung von Preisgestaltungen und Wirtschaftlichkeit
  • Festlegung von Produktionsprogrammplanungen
  • Berechnung des Betriebsergebnisses
  • Messen des finanziellen Erfolgs (Erfolgsrechnung)

Warum ist eine Vollkostenrechnung sinnvoll?

Mithilfe der Vollkostenrechnung können Unternehmen Produkten, für die kein Marktpreis vorhanden ist, einen Wert zuordnen. Sie eignet sich vorwiegend zur Ermittlung eines Angebotspreises bei Einzelfertigungen. Ebenso dient sie der Berechnung des Periodenerfolgs. Dabei werden die Nettoerlöse den Kosten gegenübergestellt.

Aufbau der Vollkostenrechnung

Üblicherweise besteht die Vollkostenrechnung aus den folgenden drei Schritten: 

  1. Kostenartenrechnung: Zunächst werden alle anfallenden Kosten erfasst. Es findet bereits die Unterscheidung zwischen Einzel- und Gemeinkosten statt sowie die Definition von variablen Herstellungskosten. Ziel ist es zunächst, die gesamten Kosten im Produktionsprozess zu definieren.
  2. Kostenstellenrechnung: Mithilfe der Kostenstellenrechnung kann ein Zusammenhang zwischen den Leistungen und anfallenden Kosten hergestellt werden. Wichtig ist hier vor allem, wo die Kosten angefallen sind und wie sich Gemeinkosten anteilig zu Produkten und Leistungen zuteilen lassen. Meist geschieht dies anhand von Zuschlagssätzen und mittels eines Betriebsabrechnungsbogen (BAB).
  3. Kostenträgerrechnung: In diesem Schritt werden die Selbstkosten eines Produkts ermittelt, wie die folgende Rechnung zeigt:

Materialeinzelkosten 

Materialgemeinkosten in % der Material-EK 

= Materialkosten 

Fertigungseinzelkosten 

Fertigungsgemeinkosten in % der Fertigungs-EK 

Sondereinzelkosten der Fertigung 

= Fertigungskosten 

Materialkosten + Fertigungskosten 

= Herstellkosten 

+ Vertriebsgemeinkosten in % der Herstellkosten 

+ Verwaltungsgemeinkosten in % der Herstellkosten 

+ Sondereinzelkosten des Vertriebs 

= Selbstkosten 

In diesem letzten Schritt der Vollkostenrechnung werden somit die zuvor erfassten Kosten zusammengeführt und die Preise kalkuliert. Dabei werden fixe Kosten gleichmäßig auf die Produkte verteilt, entweder prozentual oder detailliert. So entsteht der Gesamtpreis, der alle Kosten beinhaltet. 

Das Unternehmen stellt damit sicher, dass der Zusammenhang zwischen Kosten und Leistungen klar erkennbar ist, um die Wirtschaftlichkeit zu bewerten. Durch die vollständige Kostenerfassung lässt sich auch der Break-Even-Point (BEP) der Vollkostenrechnung berechnen. Dieser definiert den Punkt, an dem Einnahmen und Ausgaben ausgeglichen sind. Dieser Wert markiert dadurch die Preisuntergrenze, ab der ein Unternehmen beginnt, Gewinn zu erwirtschaften.

Info

Break-Even-Point vs. Deckungsbeitrag

Der Deckungsbeitrag und der BEP der Vollkostenrechnung sind eng miteinander verbunden, aber sie haben unterschiedliche Bedeutungen. 

Der Deckungsbeitrag gibt an, wie viel ein Produkt oder eine Dienstleistung zur Deckung der fixen Kosten beiträgt. Er wird pro Einheit oder als Gesamtbetrag berechnet. Ein positiver Deckungsbeitrag bedeutet, dass das Produkt zumindest einen Teil der Fixkosten deckt. 

Deckungsbeitrag = Verkaufspreis – variable Kosten 

Der BEP ist der Punkt, an dem die Gesamtkosten genau durch die Einnahmen gedeckt sind, also weder Gewinn noch Verlust entsteht. 

BEP = Fixkosten / Deckungsbeitrag pro Stück

Die Vorteile der Vollkostenrechnung

Wendet man die Vollkostenrechnung nur für die Zwecke an, für die sie konzipiert ist, hat sie ihre Berechtigung. 

Die Vollkostenrechnung hat die langfristige Perspektive im Blick. Auf Dauer müssen alle Kosten eines Unternehmens gedeckt werden. Alle verkauften Produkte müssen zusammen die Fixkosten tragen. Dieser Aspekt darf nicht unterschätzt werden. Ein großer Konkurrenzdruck kann nämlich leicht dazu verleitet, Produkte auch über einen längeren Zeitraum am Rand der kurzfristigen Preisuntergrenze zu verkaufen, um im Markt zu bleiben. 

Die Selbstkostenpreise – so grob auch die Kostenverrechnung sein mag – geben immerhin einen Anhaltspunkt, wo auskömmliche Preise auf Dauer liegen müssen. Deshalb ist es zu empfehlen, die Kostenrechnung im Unternehmen sowohl für Vollkosten- als auch Teilkostenmethoden anzulegen. 

Liegt kein Marktpreis für ein Produkt vor, das häufig bei Einzelfertigung der Fall ist, ist die Vollkostenrechnung das Mittel der Wahl für die Angebotserstellung. Nach dem Schema der Vollkostenkalkulation werden im Angebot neben den Einzelkosten die durchschnittlich anfallenden Gemeinkosten als Prozentzuschlag aufgeführt. 

Aus Sicht des Käufers ist dieses Vorgehen nachvollziehbar, da er so davon ausgeht, dass ihm ein „angemessener” – nicht ein willkürlich festgelegter – Anteil der Unternehmenskosten weiterberechnet wird. Dieses Rechenmodell ist Basis für die LSP, nach denen seit den 30er-Jahren detaillierte Angebote für öffentliche Aufträge erstellt werden müssen. 

Die Vollkostenrechnung lässt sich einfach anwenden. Sie dient damit als eine wichtige Entscheidungsgrundlage für Unternehmen und ermöglicht einen schnellen Überblick über alle anfallenden Kosten. Sie hilft, das Produktangebot gezielt zu optimieren. Zudem erlaubt sie eine Wirtschaftlichkeitsbewertung einzelner Produkte oder Dienstleistungen. Durch die genaue Kostenermittlung kann ein Unternehmen erkennen, welche Angebote am profitabelsten sind und seine Ressourcen genau dort einsetzen, wo der größte Gewinn erzielt wird.

Die Nachteile der Vollkostenrechnung

  • Einer der häufigsten Einwände gegen die Kalkulation auf Vollkostenbasis ist, dass man sich leicht „aus dem Markt heraus kalkuliert“, indem man anhand der eigenen Kosten einen zu hohen Preis ermittelt und das Produkt nicht mehr absetzen kann. Damit wird im Grunde das Hauptproblem angesprochen. Die Vollkostenrechnung ist nicht für Produkte konzipiert, für die es einen Marktpreis gibt. Unter den heute vorherrschenden Bedingungen von Marktpreisen sollte sie nicht für die Preisbildung eingesetzt werden, allenfalls als Kontrollrechnung.
  • Die Schlüsselung von Kosten auf die Kostenträger ist immer problematisch, da es keinen direkten Zusammenhang gibt. Dies gilt grundsätzlich für alle Verrechnungssätze des Vollkostenkalkulationsschemas. Besonders deutlich aber ist der fehlende Zusammenhang zwischen den Herstellkosten und den Zuschlagssätzen für Vertrieb und Verwaltung.
  • Die Zuschlagssätze beziehen sich immer auf eine bestimmte Menge verkaufter Leistungseinheiten (Ist-Kostenrechnung). Die Proportionalisierung der Fixkosten führt bei veränderten Mengen zu Über- und Unterdeckungen. Bei geringerer Menge werden weniger Fixkosten verrechnet, bei größerer Menge werden mehr Fixkosten verrechnet, als tatsächlich angefallen sind.
  • Die Vollkostenrechnung ist nicht für Produktentscheidungen geeignet. Hat man mit dieser Methode ein Verlustprodukt identifiziert und nimmt es aus dem Programm, wird sich das Unternehmensergebnis nicht verbessern, sondern sogar verschlechtern. Es entfallen nur die variablen Kosten und Erlöse. Die Fixkosten bleiben jedoch und müssen von den übrigen Produkten mitgetragen werden.
  • Fixe Kosten werden in der Vollkostenrechnung auf anteilig auf Produkte verteilt, obwohl sie nicht direkt von ihnen abhängen. Dadurch kann die Rechnung nicht immer genau widerspiegeln, welche Produkte tatsächlich den meisten Gewinn bringen.
  • Nicht angewendet werden sollte die Vollkostenrechnung für Make-or-Buy-Entscheidungen. Im Fall von Fremdfertigung verursacht man im eigenen Bereich Unterbeschäftigung, wodurch zusätzlich Leerkosten entstehen. Ebenso ungeeignet ist sie für Verfahrensentscheidungen. Eine neue, schnellere Maschine mit hohen Fixkosten kann wirtschaftlicher sein als die alte Maschine mit niedrigen Fixkosten. Dennoch müsste man bei einer Alternativrechnung auf Vollkostenbasis die neue Maschine wegen ihrer hohen Fixkosten ablehnen.

Achtung

Vollkostenrechnung für kurzfristige Entscheidungen ungeeignet

Für kurzfristige Entscheidungen ist die Vollkostenrechnung ungeeignet, da sie fixe und variable Kosten nicht trennt. Hier ist die Teilkostenrechnung deutlich hilfreicher oder eine Kombination beider Methoden, um fundierte unternehmerische Entscheidungen zu treffen.

Vollkostenrechnung: Ein Beispiel

Um das Prinzip der Vollkostenrechnung besser zu verstehen, wird ein Beispiel aus der Praxis verwendet. 

Ein Unternehmen stellt 100 Hosen her. Die direkten Kosten pro Hose (Material, Arbeitskosten etc.) betragen 20 Euro. Zusätzlich fallen monatliche Gemeinkosten an, beispielsweise Miete, Strom und Gehälter. Diese liegen bei 1.200 Euro. 

Die Gesamtkosten berechnen sich daraus wie folgt: 

  • Einzelkosten: 20 Euro x 100 Hosen = 2.000 Euro
  • Gemeinkosten: 1.200 Euro
  • Vollkosten: 2.000 Euro + 1.200 Euro = 3.200 Euro 

Um alle Kosten zu decken, muss jede Hose für mindestens 32 Euro verkauft werden (3.200 Euro / 100 Hosen). Dies entspricht dann dem Break-Even-Point – dem Preis, bei dem weder Gewinn noch Verlust entsteht. Liegt der Verkaufspreis darüber, erzielt das Unternehmen Gewinn.