Die gute Nachricht: Die Karlsruher Verfassungsrichter haben grundsätzlich Verständnis dafür, dass es bei der Übertragung von Betrieben Verschonungsregeln bei der Ermittlung der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer gibt. Die Verschonungsregeln verstoßen jedoch gegen die Verfassung, weil auch Verwaltungsvermögen – dazu gehören Grundstücke oder Wertpapiere im Betrieb – verschont werden, obwohl private Immobilien und private Wertpapiere voll erbschaft- bzw. schenkungsteuerpflichtig sind. Außerdem erhalten Übernehmer kleinerer Betriebe mit bis zu 20 Mitarbeitern die Verschonungsregeln auch ohne die Auflage Arbeitsplätze erhalten zu müssen. Das ist eine nicht verfassungskonforme Ungleichbehandlung im Vergleich zu Betrieben mit mehr als 20 Mitarbeitern.
Erbschaftsteuer: Derzeitige Verschonungsregelung
Grundsätzlich gilt: Wird ein Betrieb auf einen neuen Eigentümer übertragen (egal ob im Rahmen einer Erbschaft oder einer Schenkung), ist das ein Fall für das Finanzamt. Denn die unentgeltliche Übertragung von Betriebsvermögen ist erbschaft- bzw. schenkungsteuerpflichtig. Weil es vorkommen kann, dass der Übernehmer des Betriebsvermögens nicht über ausreichend Kapital verfügt, um die Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer ohne existenzielle Gefährdung des Unternehmens zahlen zu können, gibt es bei der Übertragung von Betriebsvermögen Verschonungsregelungen. Denkbar sind zwei Varianten:
- Regelverschonung: Bei dieser Steuervergünstigung bleiben unter bestimmten Voraussetzungen 85 % des geerbten oder geschenkten Betriebsvermögens in Bezug auf die Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer steuerfrei.
- Optionsverschonung: Es geht aber noch besser: Wer über einen Zeitraum von 7 Jahren weitere Bedingungen einhält, kann sogar zu 100 % von der Besteuerung der unentgeltlichen Übertragung befreit werden.
Grundzüge der Regelverschonung
Bei der Regelverschonung winkt die 85 %-Freistellung des unentgeltlich übernommenen Betriebs bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer unter folgenden Voraussetzungen:
- In dem übertragenen Betrieb muss das Verwaltungsvermögen weniger als 50 % betragen. Unter Verwaltungsvermögen versteht man Vermögen, das für die Weiterführung des Betriebs nicht unbedingt notwendig ist (vermietete Immobilien, Aktienvermögen).
- Der Betrieb muss mindestens über einen Zeitraum von 5 Jahren nach der Erbschaft bzw. Schenkung fortgeführt werden.
- Die Lohnsumme während der 5-jährigen Betriebsfortführung muss mindestens 400 % der jährlichen Ausgangslohnsumme bei Übernahme des Betriebs betragen.
Tipp: Für Betriebe mit höchstens 20 Mitarbeitern gilt die Lohnsummenregelung nicht. Das ist einer der Gründe, warum die Karlsruher Verfassungsrichter die Verfassungswidrigkeit der Verschonungsregelungen bestätigt haben (BVerfG, Urteil v. 17.12.2014, Az. 1 BvL 21/12). Der derzeitige Kabinettsentwurf sieht vor, dass künftig nur bei Unternehmen mit weniger als 3 Beschäftigten auf die Prüfung der Lohnsummenregelung verzichtet wird. Der Entwurf ist allerdings noch in der Diskussion.
Beispiel: Frank Huber übernimmt den Betrieb seines Vaters im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge (= Schenkung). Der Betrieb ist 2 Millionen EUR wert, u.a. weil eine vermietete Immobilie im Wert von 800.000 EUR im Betriebsvermögen steckt. Frank Huber beantragt beim Finanzamt die Regelverschonung.
So ermittelt das Finanzamt die steuerpflichtige Schenkung des Betriebs
Wert des geschenkten Betriebs |
2.000.000 Euro | |
---|---|---|
Verschonung mit 85 % |
-1.700.000 EUR | |
verbleiben |
300.000 EUR | 300.000 EUR |
Freibetrag: | ||
Steuerpflichtiger Wert des Betriebs |
300.000 EUR | |
Freibetrag bei 85 % iger Verschonungsregelung |
-150.000 EUR | |
Freibetrag 150.000 Euro; Kürzung um 50 % des über 150.000 EUR liegenden Werts des Betriebs (300.000 EUR abzgl. 150.000 EUR = 150.000 EUR; davon Kürzungsbetrag 75.000 EUR) | 75.000 EUR | |
Verbleibender Freibetrag: |
-75.000 EUR |
75.000 EUR |
Steuerpflichtiger Wert des Betriebs für die Schenkungsteuer | 225.000 EUR |
Da Frank Huber als Sohn ein persönlicher Freibetrag bei der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer von 400.000 EUR bei Übertragung von Vermögen eines Elternteils zusteht, muss er keinen Cent Schenkungsteuer für die unentgeltliche Übertragung bezahlen.
Grundzüge zur Optionsverschonung
Bei der Optionsverschonung bleiben unter den folgenden Voraussetzungen bei einer unentgeltlichen Übertragung eines Betriebs sogar 100 % von der Besteuerung bei der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer verschont:
- Das Verwaltungsvermögen im unentgeltlich übernommenen Betrieb darf nicht mehr als 10 % betragen.
- Der Betrieb muss 7 Jahre lang fortgeführt werden.
- Während der 7-jährigen Betriebsfortführung beträgt die gezahlte Lohnsumme mindestens 700 % der in den letzten 5 Jahren vor der Übergabe durchschnittlich gezahlten jährliche Lohnsumme.
Erbschaftsteuer: Fragen aus der Praxis und Handlungsempfehlungen
Hier die Antworten auf die häufigsten Fragen aus der Praxis zu (geplanten) unentgeltlichen Übertragungen von Betrieben:
Frage 1: Gelten für unentgeltliche Übertragungen von Betrieben nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil die Verschonungsregeln unverändert weiter und wie lange?
Antwort: Das Bundeverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber bis zum 30.6.2016 Zeit gegeben, um neue gesetzliche Vorgaben umzusetzen, damit die Verschonungsregeln wieder im Einklang mit der Verfassung sind. Bis zu einer gesetzlichen Neuregelung gelten grundsätzlich die bisherigen Verschonungsregeln.
Frage 2: Kann es sein, dass das Finanzamt für die unentgeltliche Übernahme eines Betriebs trotz der Übergangsregelung bis 30.6.2016 die Verschonungsregeln ablehnt?
Antwort: Das kann tatsächlich passieren. Denn zwischen den Zeilen haben die Verfassungsrichter durchklingen lassen, dass bei „exzessiven“ Steuergestaltungen bei Übertragung eines Betriebs zwischen dem Urteilsspruch am 17.12.2014 bis zur gesetzlichen Neuregelung die Verschonungsregeln versagt werden können. Exzessive Gestaltungen sind anzunehmen, wenn in den Betrieb ohne sinnvolle wirtschaftliche Gründe Immobilien oder Wertpapiere (sog. Verwaltungsvermögen) eingelegt werden, nur um diese später im Rahmen der Verschonungsregelungen möglichst steuergünstig auf den Erben bzw. Beschenkten übertragen zu können (siehe hierzu auch Bundestags-Drucksache 18/3672).
Frage 3: Kann ich mich bei einer geplanten Betriebsübernahme beruhigt bis zum 30.6.2016 zurücklehnen und abwarten, was kommt?
Antwort: Das ist – abhängig vom Einzelfall – nicht unbedingt empfehlenswert. Denn der 30.6.2016 ist nur das Ende der Übergangsregelung. Die gesetzlichen Neuregelungen können auch bereits früher in Kraft treten, beispielsweise zum 31.12.2015. Nach Informationen aus dem Bundesfinanzministerium laufen die Arbeiten an einer Neuregelung bereits auf Hochtouren. Deshalb sollten Sie bei einer in naher Zukunft geplanten Betriebsübernahme umgehend Kontakt mit einem Steuerberater aufnehmen, der die Übernahme noch nach den alten Regeln plant. Der Grund: Wie auch immer die Neuregelung konkret aussehen wird, die Übertragung von Betrieben wird für Unternehmer steuerlich sehr wahrscheinlich weniger günstig sein als bisher.
Frage 4: Ich wollte meinen 10-Mann-Betrieb Ende 2016 im Wege der Schenkung auf meine Tochter übertragen. Soll ich die Übertragung vorziehen?
Antwort: Auf jeden Fall. Denn künftig sollen auch kleine Betriebe die Voraussetzung zur Lohnsummenregelungen erfüllen. Das Prinzip: Nur wer in den ersten 5 oder 7 Jahren nach Betriebsübernahme Arbeitsplätze sichert, soll bei der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer verschont werden.
Frage 5: Ich möchte meinen Betrieb bis Ende 2015 auf meine beiden Söhne im Wege der Schenkung übertragen. Ich möchte vor der Übertragung noch ein im Privatvermögen gehaltenes, unbebautes Grundstück in den Betrieb einlegen, damit darauf eine längst überfällige Lagerhalle gebaut werden kann. Kann diese Einlage die Verschonungsregeln zu Fall bringen?
Antwort: Sie sollten auf jeden Fall einen Steuerberater einschalten, bevor Sie das Grundstück in Ihren Betrieb einlegen. Der Berater muss dann Folgendes näher beleuchten:
- Liegen wirtschaftliche Gründe für die Einlage vor (wie in diesem Fall), sollten diese schriftlich festgehalten und bei den Steuerunterlagen aufbewahrt werden. Denn nur mit einer wirtschaftlichen Begründung kann die Vermutung des Finanzamts widerlegt werden, dass es sich bei der Einlage um eine „exzessive“ Steuergestaltung handelt, die nur zum Ziel hat, sich Vorteile bei der Schenkungsteuer zu verschaffen.
- Da es sich bei dem Grundstück um Verwaltungsvermögen handelt, sollte vor der Einlage geprüft werden, ob das Verwaltungsvermögen auch nach der geplanten Übertragung weniger als 50 (Regelverschonung) bzw. 10 % (Optionsverschonung) beträgt.