Preisfindung: Mehr verkaufen mit kreativen Preismodellen

Viele Unternehmen setzen ihre Preise zu niedrig an und verschenken somit Umsatz und Gewinn. Die Lösung: eine intelligente Strategie bei der Preisfindung. Dafür gibt es viele Möglichkeiten und Methoden. Vor allem, wenn Sie Ihre Produkte in mehreren Marktsegmenten oder über mehrere Vertriebskanäle verkaufen, können Sie überlegen, ob Sie alternative und flexible Preismodelle anbieten wollen. Auch können sich Preismodelle lohnen, die auf den ersten Blick mit ihren Konditionen riskant wirken, wie Sie anhand unserer Beispiele für die Preisgestaltung erkennen werden.

Zuletzt aktualisiert am 18.10.2023
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1. Flatrate

Gut bekannt ist die Flatrate für bestimmte Leistungen, etwa im Bereich Telefon, IT oder auch im Gastgewerbe (Getränke oder Essen zum Pauschalpreis). Achten Sie hier auf die kostenorientierte Preisfindung: Bei einem solchen Angebot sollten natürlich mindestens die Fixkosten durch den aufgerufenen Preis pro Kunde gedeckt sein.

2. Preissenkungen oder –erhöhungen an bestimmten Tagen oder Uhrzeiten

Dieses Preisfindungs-Modell können Sie einsetzen, wenn Sie z. B. im Handel tätig sind. Sie belohnen hierbei diejenigen Kunden mit niedrigeren Preisen, die in den traditionell schwachen Morgen- oder Nachmittagsstunden bei Ihnen einkaufen. Der Elektronikhändler „Best Buy“ hat zum Beispiel Kunden, die vor 10 Uhr eingekauft haben, Nachlässe auf bestimmte Produkte im Verkauf gewährt. Umgekehrt können Sie die Preise in Zeiten, in denen viele Kunden kommen, leicht anheben.

Im Idealfall hat dieses Preismodell ebenso einen weiteren Vorteil für die Verkäufer: Die Kunden kaufen verteilter über den Tag ein und es kommt zu weniger stressigen Stoßzeiten.

3. Preiswette

Eine Preiswette hat z. B. ein kleiner Anbieter von Sonnenmarkisen eingeführt, um den Verkauf anzukurbeln. Steigt die Temperatur über eine bestimmte Anzahl Tage nicht über 20 Grad Celsius, erhalten die Kunden einen Teil des Kaufpreises zurück. Liegt die Temperatur bei über 20 Grad Celsius, erhält der Anbieter den gesamten Verkaufspreis.

4. Zahlen Sie, was Sie wollen

Die Hotelkette IBIS hat eine solche Aktion gestartet und die Erfahrung war in Summe sehr positiv. Zwar zahlten rund zehn Prozent der Kunden gar nicht, jedoch entrichteten diemeisten Gäste den Preis, den IBIS sonst ohnehin verlangt. Dieses auf den ersten Blick sicher wenig lukrative Modell zur Preisfindung hatte aber einen enormen Werbeeffekt:

IBIS wurde bekannter, die Auslastung stieg deutlich und die Hotelkette konnte rund 20 Prozent Neukunden gewinnen. Dieses Modell der Preisbildung wurde auch erfolgreich in Gastronomiebetrieben durchgeführt.

5. Geld zurück

Der Internetbuchhändler Libri.de forderte seine Kunden vor einigen Jahren unter der Überschrift „Bücher in 24 Stunden oder 20 EUR“ auf, seine Über-Nacht-Lieferung zu testen. Libri.de versprach, innerhalb von 24 Stunden zu liefern oder seinen Kunden als Entschädigung 20 EUR gutzuschreiben. Das Ergebnis war verblüffend: Libri.de konnte die Zahl seiner Besucher auf der Webseite um fast zwei Drittel steigern und den Verkauf mächtig ankurbeln: rund 17.000 Kunden haben Bücher bestellt.

6. Heute kaufen, später bezahlen – Finanzierung zum Nulltarif

Ihre Kunden kaufen ein Produkt und zahlen den regulären Kaufpreis ein halbes Jahr spätervermeintlich erhalten sie das Produkt also ohne Finanzierungskosten. Diese müssen Sie natürlich in den Produktpreis einrechnen, da Sie Ihren Kunden ja nicht tatsächlich einen kostenlosen Kredit gewähren wollen. Finanzierungsmodelle zum Nulltarif finden sich beispielsweise bei Optiker- oder Elektronikketten.

7. Verkauf: Kauf 3, zahl 2

Damit hat vor allem der Handel seit einiger Zeit großen Erfolg. Auch hier rechnet sich diese Idee kreativer Preisfindung vor allem, weil die Kunden mehr kaufen und Neukunden gewonnen werden können.

Tipp

Holen Sie Feedback bei Ihren Kunden ein

Fragen Sie Ihre Kunden, ob und welche Preismodelle außer normalen Standardpreisen sie sich vorstellen können. Verwenden Sie bei der Befragung konkrete Beispiele, wie diejenigen, die Sie hier im Artikel finden.

So entscheiden Sie sich für das passende Preismodell

Bei der Auswahl des für Ihr Unternehmen geeigneten Modells zur Preisfindung sollten Sie zuvor eine Kalkulation durchführen. Beispielsweise mithilfe der Zuschlagskalkulation in Excel finden Sie heraus, welcher Preis sich wie gut rechnet. Spielen Sie dabei verschiedene Szenarien durch, um folgende Fragen beantworten zu können:

  • Was passiert mit dem Gewinn pro Stück und insgesamt, wenn der Verkauf höhere Rabatte gewährt und es nicht gelingt, die Verkaufszahlen deutlich zu steigern?
  • Was passiert, wenn Sie Ihren Kunden in einem bestimmten Umfang, z. B. bei 10 oder 20 Prozent der Fälle, Erstattungen für verlorene Wetten zahlen müssen?

 

CONTRA

Falls Sie nach Prüfung zu dem Schluss kommen, dass Sie mit traditionellen Preismodellen nach wie vor am besten fahren und auch ein Großteil der befragten Kunden sich alternative Preismodelle nur schwer vorstellen kann: Behalten Sie Ihre aktuelle Preisfindung und Preisgestaltung ohne Veränderungen bei.

 

PRO

Falls Sie jedoch zu dem Schluss kommen sollten, dass es Sinn ergibt, zumindest zu prüfen, ob und mit welchen Preismodellen Sie mehr verkaufen und neue Kunden gewinnen können, dann gehen Sie wie folgt vor:

  • Wählen Sie eines der vorgestellten Preismodelle aus oder entwickeln Sie einen eigenen Vorschlag.
  • Testen Sie zunächst über einen begrenzten Zeitraum, welche Wirkung sich auf Kunden und Verkaufszahlen ergibt.
  • Bei Bedarf testen Sie 1 oder 2 weitere Modelle und entscheiden sich dann, künftig neben konventioneller Preisgestaltung für Ihr Marketing von der Möglichkeit innovativer Preismodelle Gebrauch zu machen.

So überzeugen Sie Kunden von Ihrem Preismodell

Kunden reagieren unter Umständen skeptisch, wenn sie mit neuen Preismodellen konfrontiert werden. Sie vermuten schnell, dass es sich nicht um echte Angebote, sondern um Fußangeln oder Lockangebote handelt, mit denen ihnen dann doch teurere Produkte oder Artikel verkauft werden sollen.
Überzeugen Sie Ihre Kunden daher, indem Sie von Anfang an bei der Kommunikation des neuen Preismodells auf folgende Punkte achten:

  • Entwickeln Sie ein einfaches, leicht verständliches Preismodell, möglichst ohne Bedingungen oder Einschränkungen.
  • Zeigen Sie von Beginn an geplante Begrenzungen, etwa bei Zeiten und Produkten im Verkauf, klar und deutlich auf und platzieren Sie dies nicht nur im Kleingedruckten.
  • Geben Sie keine Versprechungen, von denen Sie wissen, dass Sie sie nur schwer werden halten können, z. B. wenn es um die Einhaltung von Terminen geht. Sie verlieren bei solchen Aktionen nicht nur Geld, sondern riskieren auch Image- und Kundenverluste.
  • Weisen Sie Ihre Kunden frühzeitig auf die neuen Preismodelle hin, machen Sie Werbung hierfür und zeigen Sie ihnen die Vorteile auf. Nutzen Sie auch die Möglichkeit, Feedback einzuholen und überarbeiten bzw. verfeinern Sie das Preismodell, wenn nötig.

Tipp

Begrenzen Sie das Risiko

Wenn Sie sich in Bezug auf das Verhalten Ihrer Kunden bei Preismodellen wie „Zahlen Sie, was Sie wollen“ sehr unsicher sind, sollten Sie die Aktion von Beginn an begrenzen. Setzen Sie dafür entweder eine zeitlicheFrist von zwei oder vier Wochen und/oder limitieren Sie die Anzahl der Produkte, bei denen sich die Kunden die Preise aussuchen können. Somit reduzieren Sie das Risiko, dass Sie hohe finanzielle Einbußen haben, wenn unter Ihren Kunden viele gar nichts oder nur geringe Preise zahlen wollen.

Praxis-Beispiele

1. Beispiel: Zahle, was Du willst

Emma Hair Revolution, Krefeld: 20 Jahre ist es her, dass René Sellmer in einem Londoner Restaurant aufgefordert wurde: „pay what you want“. Als der Friseurmeister dann vor 6 Jahren mit seinen Dienstleistungen den Sprung in die Selbstständigkeit wagte, erinnerte er sich an den Restaurantbesuch – und führte ebenfalls das „Zahle, was Du willst“ -Preismodell ein.

„Natürlich hatte ich anfangs Bedenken, ob wir verarscht werden“, gibt der 42-Jährige zu. Doch seine Zweifel verflogen schnell. 40 EUR zahlte jeder Kunde pro Friseurbesuch – und damit 11 EUR mehr als es in den Salons üblich war, in denen Sellmer früher als Angestellter gearbeitet hatte. „Einmal waren sogar 500 EUR im Umschlag“, erzählt Sellmer.

Dass die Preisstrategie des Friseurmeisters aufgeht, liegt laut Sellmer am Gesamtkonzept des Ladens, das genauso eigenwillig ist wie die Strategie zur Preisfindung: So frisiert der Unternehmer grundsätzlich nicht nach Kundenwunsch, sondernschneidet, färbt und föhnt, wie es ihm gefällt. Doch auch dieses in der Branche unübliche Vorgehen kommt bei den Kunden an. „Meine Kunden gehen unzufrieden, kommen aber zufrieden wieder“, sagt der Mann mit dem giftgrünen Spitzbart.

Noch etwas sei wichtig beim „Zahle, was Du willst“, ergänzt Sellmer: Der persönliche Kontakt. Wenn man sich den Kunden zuwende, freundlich sei und eine gute Atmosphäre schaffe, seien diese gerne bereit, ein angemessenes Honorar zu zahlen. Und es macht sich bei der Kundenzufriedenheit bemerkbar, sodass die Ladenbesucher gerne wieder kommen.

2. Beispiel: Happy hour im Handel

Bernd Klingenburg stellt Tische her. Er hat sich entschieden, zu testen, ob er mit der Einführung neuer Preismodelle mehr Kunden erreichen und neue Aufträge erhalten kann. Allerdings möchte er keine übermäßigen Risiken eingehen, daher scheiden für ihn Modelle wie „Zahlen Sie, was Sie wollen“ von vornherein aus.

Klingenburg glaubt, dass seine Kunden vor allem bei den individuell gefertigten Produkten den tatsächlichen Arbeitsaufwand nicht richtig einschätzen können und daher keine Preise entrichten werden, die seine Kosten decken oder es ihm ermöglichen, Gewinn zu erzielen. Deshalb beschränkt er seine Aktionen auf die Standardtische.

Bei den Standardtischen möchte er testen, ob es möglich ist, Kunden zu Zeiten in sein Geschäft zu locken, in denen es eher ruhig zugeht; das ist bei ihm in den frühen Morgenstunden. Zudem weiß er, dass montags in der Regel insgesamt nur wenig Kunden erscheinen.

  • Er bietet daher Kunden, die dienstags bis freitags in der Zeit von 9 bis 11 Uhr einen Kauf tätigen, einen „Happy-Hour-Nachlass“ von 15 % statt 10 % auf alle Standardtische an.
  • Montags führt er einen Tarif „Wochenstart“ ein, bei dem er seinen Kunden die Standardtische ganztags den „Happy-Hour-Nachlass“ und zusätzlich die Auslieferung zu einem Pauschalpreis von 20 EUR anbietet.

Klingenburg hat sich seine Kalkulationen angesehen, bei denen er mit 10 % Nachlass gerechnet hat. Die zusätzlichen 5 % reduzieren seinen Gewinn pro verkauften Tisch zwar um mehr als die Hälfte. Er ist allerdings optimistisch, dass er es schafft, durch die Aktionen 10-15 % mehr Tische und auch deutlich mehr Accessoires, wie etwa exklusive Tischdecken, Untersetzer, Servietten, Kerzenständer oder Vasen, zuverkaufen. Bei den Accessoires, auf die er keine Nachlässe gewährt, ist seine Verdienstspanne prozentual deutlich höher als bei den Tischen. Unterm Strich rechnet Klingenburg damit, dass er trotz der Aktionsnachlässe sogar mehr Gewinn machen wird als vorher.

Zudem hat ihm sein Vorlieferant signalisiert, dass er, wenn er tatsächlich 10 % mehr bestellt, einen um 3 % höheren Rabatt als bisher bekommen wird. Seine Kalkulationen ändert Klingenburg daher zunächst nicht.

Um seine Kunden zu informieren, stellt er die Neuerungen auf seiner Homepage ein, verteilt Flyer an seine Stammkunden und schaltet mehrere Anzeigen in der regionalen Tageszeitung. Außerhalb der Aktion mit dem Nachlass auf Standardtische behält er seine bisherige Preispolitik im Verkauf bei.

Fazit zur Preisfindung und innovativen Preismodellen

Wie Sie auch anhand der Bespiele sehen, können innovative Preismodelle auf den ersten Blick betriebswirtschaftlich unvernünftig klingen, dann aber doch den Umsatz und Gewinn steigern.

Jedoch müssen Sie stets neben winkenden Vorteilen immer die Nachteile bei der Risikoabwägung berücksichtigen. Ändern Sie also nicht zu schnell die gesamte Preisstruktur Ihrer Produkte oder Leistungen in Ihrem Unternehmen auf einmal, sondern starten Sie lieber eine Testphase.