Änderungen im Nachweisgesetz: Die Hintergründe
Das Bürokratieentlastungsgesetz IV (BEG IV) ist am 29. Oktober 2024 im Bundesgesetzblatt verkündet worden und tritt weitgehend zum 1. Januar 2025 in Kraft. Das Gesetz hat das Ziel, den Verwaltungsaufwand für Unternehmen zu reduzieren.
Dieser Artikel konzentriert sich insbesondere auf die Formerleichterungen durch Nachbesserungen des Nachweisgesetzes (NachwG). Denn mit der Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/1152 schoss die deutsche Politik über die EU-Regeln hinaus: Am 1.8.2022 wurden die Pflichten für Arbeitgeber verschärft, der Katalog der schriftlich zu dokumentierenden Arbeitsbedingungen erweitert und – statt einem Fortschritt in Richtung Digitalisierung – die elektronische Form sogar explizit ausgeschlossen (s. § 2 NachwG).
Das brachte nicht nur erhebliche Mehrbelastungen für Arbeitgeber allgemein, sondern auch für diejenigen Arbeitgeber, die bereits Arbeitsverträge mit digitaler Signatur abschlossen. Diese mussten ihre Systeme wieder umstellen und erneut auf Papier drucken und versenden. Denn schriftlich heißt: „wet ink“ – also mit Originalunterschrift. Den Arbeitsvertrag digital unterschreiben zu lassen, war nicht zulässig.
Hier wird nun endlich nachgebessert. Um den Verwaltungsaufwand zu senken, sieht das Bürokratieentlastungsgesetz IV gezielte Vereinfachungen vor. Ein Schritt in die richtige Richtung. Aber leider nicht für alle und für alles – deshalb lohnt sich ein Blick in die Änderungen, damit Sie nicht in kostenpflichtige Fallen tappen oder gar Ordnungswidrigkeiten riskieren.
Nachfolgend finden Sie einen Überblick, was sich im Hinblick auf das Nachweisgesetz ändert und welche weiteren arbeitsrechtlichen Bereiche vom beschlossenen Gesetz betroffen sind.
Anpassung des Nachweisgesetzes: Das ändert sich konkret
Textform statt Schriftform
Bisher mussten die Nachweise über die Arbeitsbedingungen gemäß dem Katalog in § 2 NachwG schriftlich erfolgen, also regelmäßig in Papierform mit eigenhändiger Unterschrift. Zwar kann die Schriftform durch die qualifizierte elektronische Signatur ersetzt werden, aber gerade beim Nachweis der wesentlichen Arbeitsbedingungen war diese Möglichkeit explizit durch das Nachweisgesetz ausgenommen worden.
Arbeitgeber können künftig Arbeitsverträge in Textform (gem. § 126b BGB) in digitaler Form übermitteln und rechtswirksam abschließen. Die Textform stellt wesentlich niedrigere Anforderungen als die Schriftform. So ist der Abschluss eines Arbeitsvertrages etwa per E-Mail oder aber auch über ein HR-Management-System mit elektronischer Signatur möglich.
Info
Wann treten die Reglungen bezüglich des digitalen Arbeitsvertrags in Kraft?
Das Bürokratieentlastungsgesetz IV (BEG IV) tritt 2025 in Kraft. Die Regelungen zum digitalen Arbeitsvertrag gelten ab 01.01.2025.
Was müssen Sie beim Unterschreiben von digitalen Arbeitsverträgen beachten?
Nachdem Arbeitsverträge in Textform abgeschlossen werden können, wird keine eigenhändige Unterschrift mehr benötigt. Daher ist ein wirksamer Vertragsschluss nun auch digital möglich. Dazu muss nach der vom Gesetz vorgegebenen Textform gemäß § 126b BGB
- eine lesbare Erklärung,
- in der die Person des Erklärenden genannt ist,
- auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden.
Erforderlich ist außerdem, dass
- dem Empfänger die an ihn persönlich gerichtete Erklärung zugeht,
- die Erklärung gespeichert und unverändert wiedergegeben werden kann.
Lesbarkeit bedeutet, dass die Erklärung Schriftzeichen enthalten muss; Sprachnachrichten erfüllen die Textform nicht. Der Erklärende muss erkennbar sein: ein Namenszug muss vorhanden sein, eine gescannte Unterschrift oder Schriftzeichen genügen am Textende. Eine Erklärung, die unverändert wiedergegeben werden und gespeichert werden kann, ist z. B. eine PDF-Datei. Wichtig ist auch, dass die Erklärung dem Empfänger persönlich zugehen muss; das wäre zum Beispiel nicht der Fall, wenn sich der Empfänger Dateien aus dem Internet von einer Website herunterladen müsste.
Im Zweifel würde sogar eine Nachricht über einen Messengerdienst den neuen Formvorschriften genügen.
Was benötigen Sie, um einen digitalen Arbeitsvertrag nach dem Nachweisgesetz korrekt zu übermitteln?
Voraussetzung ist, dass der Arbeitsvertrag als Dokument
- für den Arbeitnehmer zugänglich ist,
- gespeichert und ausgedruckt werden kann und
- der Arbeitgeber den Arbeitnehmer mit der Übermittlung auffordert, einen Empfangsnachweis zu erteilen.
Interessanterweise genügt nach dem deutschen Gesetz die „Aufforderung“, einen Empfangsnachweis zu erteilen. Nach der EU-Richtlinie muss der Arbeitgeber aber einen Empfangsnachweis erhalten. Wenn Sie als Arbeitgeber also einen Arbeitsvertrag per E-Mail übersenden, sollten Sie vorsorglich diese E-Mail mit einer Empfangsbestätigungsfunktion versehen. Damit können Sie den Zugang des Nachweises beim individuellen Arbeitnehmer absichern und dokumentieren.
In digitalen HR-Tools sind regelmäßig die Möglichkeiten der digitalen Signatur und Empfangsbestätigungen erhalten.
Was gilt für bereits bestehende Arbeitsverträge?
Wenn die von Ihnen abgefassten Arbeitsverträge vollständig die nach § 2 Absatz 1 Nachweisgesetz erforderlichen Angaben zu den wesentlichen Arbeitsbedingungen enthalten und der Arbeitnehmer nachweislich eine Abschrift erhalten hat, müssen Sie nichts unternehmen.
Hat der Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag, jedoch keine Aushändigung der wesentlichen Arbeitsbedingungen entsprechend dem Katalog des NachwG erhalten, kann er diese auch in Zukunft vom Arbeitgeber fordern. Auch das geht ab 1.1.2025 digital – es sei denn, der Arbeitnehmer verlangt von Ihnen als Arbeitgeber ausdrücklich die Aushändigung in Schriftform. In diesem Fall haben Sie unverzüglich zu reagieren und dem Arbeitnehmer das verlangte Dokument im Original wieder mit der eigenhändigen Unterschrift „wet ink“ des Vertretungsberechtigten auszuhändigen.
Welche Verträge sind von einer digitalen Unterschrift ausgeschlossen?
Befristete Arbeitsverträge
Befristete Arbeitsverträge sind weiterhin schriftlich mit eigenhändiger Unterschrift abzuschließen. Das heißt, eine elektronische Signatur oder ein Abschluss per E-Mail wird keine wirksame Befristung bewirken. Die Folge ist im Zweifel ein unbefristeter Arbeitsvertrag.
Kündigungen
Auch Kündigungen sind weiterhin in Schriftform mit Originalunterschrift auszustellen und müssen dem Arbeitnehmer zugestellt werden.
Welche Branchen sind ausgeschlossen?
Die Formerleichterungen gelten leider nicht für alle Branchen. Ausdrücklich ausgenommen sind die Wirtschaftsbereiche gemäß § 2 a Absatz 1 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes:
- im Baugewerbe,
- im Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe,
- im Personenbeförderungsgewerbe,
- im Speditions-, Transport- und damit verbundenen Logistikgewerbe,
- im Schaustellergewerbe,
- bei Unternehmen der Forstwirtschaft,
- im Gebäudereinigungsgewerbe,
- bei Unternehmen, die sich am Auf- und Abbau von Messen und Ausstellungen beteiligen,
- in der Fleischwirtschaft,
- im Prostitutionsgewerbe,
- im Wach- und Sicherheitsgewerbe.
In diesen Branchen müssen weiterhin, wie bisher, schriftlich im Original unterzeichnete Dokumente an den Arbeitnehmer ausgehändigt werden.
Achtung
Bei Ordnungswidrigkeit drohen Bußgelder
Auch die Folgen der Missachtung der Regelungen ändern sich nicht: Verstoß gegen die Formvorschriften können nach wie vor empfindliche Bußgelder bis zur Höhe von 2000 Euro im Einzelfall fällig werden.
Weitere Änderungen durch das BEG IV im Bereich Arbeitsrecht
Folgende Punkte ändern sich mit dem vierten Bürokratieentlastungsgesetz:
Arbeitszeugnisse: Auch Arbeitszeugnisse können künftig in elektronischer Form erteilt und übermittelt werden, wenn der Arbeitnehmer zustimmt.
Aushangpflichtige Gesetze: Diese können auch über die im Betrieb üblichen Informations- und Kommunikationstechnik, zum Beispiel im Intranet, bereitgestellt werden.
Arbeitnehmerüberlassungsverträge: Künftig können Arbeitnehmerüberlassungsverträge in Textform geschlossen werden. Angesichts der hohen Bußgelder im Bereich AÜG ist dies durchaus eine Entlastung.
Bundeselterngeld und Elternzeitgesetz: Hier wird ebenfalls auf die Schriftform verzichtet, so ist die Geltendmachung des Anspruchs auf Elternzeit oder Teilzeit innerhalb der Elternzeit gegenüber dem Arbeitgeber künftig per E-Mail möglich. Natürlich können Sie ebenfalls per E-Mail antworten. Achten Sie aber unbedingt auf die Nachweise der jeweiligen Empfangsbestätigungen, um etwa eine Zustimmungsfiktion zu vermeiden, z. B. bei Beantragung von Teilzeit. Achtung: Diese Änderung gilt erst ab 01.05.2025.
Geltendmachung von Familienpflegezeit und Pflegezeit und Teilzeitarbeit: Auch dies wird in Textform möglich sein. Beachten Sie aber, dass der Abschluss von befristeten Arbeitsverträgen nach wie vor schriftlich im Original erfolgen muss.
Entlastungen bei Meldepflichten und anderen arbeitsrechtlichen Vorgaben:
- Digitalisierung der Meldewege: Arbeitgeber können Lohnsteueranmeldungen und Sozialversicherungsmeldungen künftig vollständig digital und über vereinfachte Schnittstellen abwickeln.
- Optimierung der Aufbewahrungspflichten: Die Fristen für die Aufbewahrung bestimmter Unterlagen wurden überprüft und teilweise reduziert.
Fazit: Mehr Effizienz durch moderne Arbeitsprozesse
Das Bürokratieentlastungsgesetz IV bietet Arbeitgebern einige Möglichkeiten, Verwaltungsprozesse zu vereinfachen und auf digitale Lösungen umzusteigen. Besonders die Änderungen im Nachweisgesetz schaffen Erleichterungen, die Unternehmen schon lange fordern. Wie groß die tatsächliche Erleichterung ist, wird sich zeigen, zumal es nach wie vor Ausnahmen gibt. Im Ergebnis können wir sagen: Die digitale Richtung stimmt – mehr davon wäre wünschenswert.