Minusstunden: Was Sie als Arbeitgeber beachten müssen

Immer wieder wird über Überstunden diskutiert. Doch was passiert eigentlich im umgekehrten Fall, wenn es in einem Arbeitsverhältnis zu Minusstunden kommt? Dieser Beitrag erläutert, was es mit Minusstunden auf sich hat, wie sie entstehen und welche Folgen sie mitbringen.

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Eine Person am Arbeitsplatz greift nach einem Wecker.
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 |  Zuletzt aktualisiert am:22.07.2024

Was sind Minusstunden?

Minusstunden entstehen, wenn Arbeitnehmer weniger arbeiten, als die vereinbarte Arbeitszeit vorsieht. Dies kann vor allem bei Gleitzeitmodellen vorkommen. Manchmal wird statt von Minusstunden auch von Minderstunden, Minderarbeit oder Unterstunden gesprochen.

Minusstunden sind also das Gegenteil von Überstunden.

Die Arbeitszeit wird in Deutschland zwar im Arbeitszeitgesetz (ArbZG) geregelt. Es gibt hier aber keine eindeutige gesetzliche Regelung, wie viele Minusstunden ein Arbeitnehmer beispielsweise auf seinem Arbeitszeitkonto ansammeln darf. Entsprechende Regelungen sollten in einem Arbeitsvertrag oder einer Betriebsvereinbarung getroffen werden.

Ursachen von Minusstunden

Es kann unterschiedliche Gründe – einschließlich Fehlzeiten – geben, warum Minusstunden entstehen. Hier einige mögliche Ursachen:

  • Persönliche Verpflichtungen können zu Minusstunden führen, wenn beispielsweise Mitarbeiter Arzttermine wahrnehmen müssen, familiäre Notfälle oder Kinderbetreuung regeln müssen.
    Beispiel: Der Arbeitnehmer dehnt mehrere Mittagspausen aus, damit er die Kinder von der Schule abholen und nach Hause fahren kann. 
  • Wenn die Motivation leidet, kann dies dazu führen, dass Mitarbeiter weniger arbeiten. Wird die vereinbarte Anzahl an Arbeitsstunden dann nicht eingehalten, kann dies zu einer Anhäufung von Minusstunden führen. 
  • Eine schlechte Auftragslage oder technische Probleme können dazu führen, dass Mitarbeiter weniger arbeiten können. In diesem Fall gibt es also betriebliche Gründe, warum die reguläre Arbeitszeit nicht eingehalten wurde. Dann handelt es sich gemäß Arbeitsrecht jedoch nicht um „klassische Minusstunden“, die im Arbeitszeitkonto anzurechnen sind. Den Mitarbeiter trifft in diesem Fall kein Verschulden. 
    Beispiel: Infolge eines Cyberangriffs wurde das komplette IT-System eines Unternehmens lahmgelegt. Zahlreiche Mitarbeiter können an mehreren Tagen nicht arbeiten.

Was sind unverschuldete Minusstunden?

Entscheidend ist, wer die Minusstunden verschuldet hat. Wenn Arbeitnehmer die Minusstunden verschulden, weil sie beispielsweise aus privaten Gründen die Mittagspause überziehen oder früher Feierabend machen, dann werden die Minusstunden entsprechend beim Arbeitszeitkonto dokumentiert. 

Wurden die Minusstunden durch den Arbeitgeber verursacht, dann sind diese unverschuldet entstanden. Somit trägt der Arbeitgeber gemäß § 615 BGB die Verantwortung. In diesem Fall, bekannt als Annahmeverzug, darf das nicht zum Nachteil des Mitarbeiters gewertet werden und die Minusstunden dürfen nicht vom Lohn abgezogen werden und verfallen bei Kündigung.

Info

Verschuldete vs. unverschuldete Minusstunden beim Arbeitszeitkonto

Wenn der Arbeitnehmer die Minusstunden verschuldet, werden diese entsprechend im Arbeitszeitkonto verbucht. Anders bei unverschuldeten Minusstunden: Diese werden dem Mitarbeiter nicht angelastet.

Beispiel für vom Arbeitnehmer unverschuldete Minusstunden

Der Arbeitnehmer wird krank und fehlt daher einen Tag ohne Krankenschein oder eine Woche mit Krankenschein bei der Arbeit und hat somit keine Minusstunden verschuldet. Ähnliches gilt für Urlaube oder Feiertage.

Info

Darf der Arbeitgeber Minusstunden anordnen?

Der Arbeitgeber kann Minusstunden nicht ohne Weiteres anordnen. Dies gilt insbesondere, wenn es klare Vereinbarungen zur Arbeitszeit gibt.

Folgen und Auswirkungen von Minusstunden

Minusstunden durch Mehrarbeit abbauen

Vor allem in Arbeitsverhältnissen mit Gleitzeitregelungen sind Minusstunden keine Seltenheit. Entstehen Minusstunden, erfolgt der Abbau in der Regel wieder durch Überstunden, auch Plusstunden genannt. Der Klassiker hier ist also, dass ein Arbeitnehmer eine weniger arbeitsreiche Woche nutzt, um einige private Erledigungen (zum Beispiel Arzttermine) vorzunehmen. In der darauffolgenden Woche ist die Arbeitsbelastung höher und es entstehen Überstunden. Die Minusstunden werden ausgeglichen

Voraussetzung hierfür ist das Führen eines Arbeitszeitkontos. So werden die entsprechenden Stunden erfasst. Wie die Zeiterfassung aussehen kann, variiert.

Minusstunden abrechnen

Doch was passiert, wenn der Mitarbeiter die Minusstunden nicht ausgleicht bzw. nicht zeitnah ausgleichen kann? Minusstunden können in diesem Fall zu Gehaltskürzungen oder der Verweigerung von Bonuszahlungen führen, wenn sie nicht rechtzeitig ausgeglichen werden. Auch eine Rückforderung durch den Arbeitgeber ist denkbar. Voraussetzung ist jedoch, dass der Mitarbeiter die Minusstunden verschuldet hat.

Minusstunden bei Kündigung

Vor allem, wenn es zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses kommt, ist die richtige Behandlung von Minusstunden wichtig. Nicht selten entstehen hier Konflikte. Dies gilt sowohl für den Fall, dass der Arbeitnehmer kündigt als auch, wenn der Arbeitnehmer entlassen wird.

Eindeutige vertragliche Vereinbarungen treffen

Entscheidend sind die vertraglichen Bedingungen. Was wurde im Arbeitsvertrag geregelt? Gibt es eine Betriebsvereinbarung? Sowohl Arbeitszeiten als auch die Behandlung von Minusstunden sollten hier klar und verständlich geregelt werden. 

Wurde beispielsweise eine 40-Stunden-Woche vereinbart und ein Arbeitszeitkonto ordnungsgemäß geführt, welches Minusstunden aufführt (die der Arbeitnehmer verschuldet hat), dann kann der Arbeitgeber ggf. entsprechend einen Anspruch geltend machen.

Abrechnung der Minusstunden

Im Falle eines Anspruchs durch den Arbeitgeber sollten Arbeitgeber und Arbeitnehmer miteinander kommunizieren und im Idealfall eine (gütliche) Lösung finden:

  • Kann der Arbeitnehmer die Minusstunden noch durch Mehrarbeit ausgleichen? Oder ist er bereits freigestellt?
  • Eine Verrechnung mit dem Gehalt ist grundsätzlich möglich.
  • Falls das letzte Gehalt bereits ausgezahlt wurde, ist eine Rückzahlung an den Arbeitgeber zu leisten.
  • Nicht zulässig ist es, die Minusstunden mit Resturlaubstagen zu verrechnen.

Achtung

Verrechnung des Gehalts nur bei Verschulden des Arbeitnehmers möglich

Hat der Arbeitgeber die Minusstunden verschuldet, ist eine Gehaltsverrechnung (oder ggf. Rückforderung) nicht zulässig.

Aufhebungsvertrag

Falls ein Aufhebungsvertrag vereinbart wird, sollte hier auch eine eindeutige Regelung zu etwaigen Minusstunden getroffen werden. 

Info

Definieren Sie Regelung für Minusstunden sehr genau im Vertrag

Je eindeutiger die Regelungen vorab festgelegt werden, desto besser können Konflikte in Fällen von Kündigungen bei Minusstunden vermieden werden. Arbeitgeber sollten deshalb die entsprechenden Strukturen schaffen, um arbeitsrechtliche Streitigkeiten zu vermeiden.

Warum Arbeitgeber bei Minusstunden hellhörig sein sollten

Wie bereits dargestellt, sind Minusstunden gerade in Fällen von Gleitzeitregelungen keine Seltenheit. Dennoch sollten Arbeitgeber sehr aufmerksam mit dem Thema umgehen. 

Sammelt ein Mitarbeiter eine hohe Anzahl an Minusstunden an, sollte dies der Anlass sein, die Gründe zu erforschen

  • Minusstunden können ein Zeichen für Unzufriedenheit sein. Ist der Arbeitnehmer mit seinen Aufgaben ggf. nicht ausgelastet
  • Gibt es vielleicht eine private Notsituation und der Mitarbeiter benötigt Unterstützung? Hier sollte ein Gespräch auf Augenhöhe geführt werden. 
  • Minusstunden können zu Konflikten im Team führen, wenn andere Mitarbeiter ständig Überstunden leisten müssen. Hier sollte hinterfragt werden, ob die Arbeitsbelastung gerecht und sinnvoll verteilt wurde. Dies kann ansonsten auch zu erheblichen Streitigkeiten im Team führen. 

Es kann viele unterschiedliche Gründe geben, warum Minusstunden entstehen. Doch gerade dann, wenn es eine ungewöhnlich hohe Anzahl ist, ist Mitarbeiterführung und eine gute Kommunikation gefragt. 

Wie können Minusstunden vermieden werden?

Arbeitgeber sollten die Basis dafür schaffen, damit gar nicht erst viele Minusstunden entstehen. Hierzu gehören u. a.:

  • Klare (vertragliche) Vereinbarungen
  • Effiziente Arbeitsplanung
  • Reibungslose Betriebsabläufe
  • Gutes Betriebsklima
  • Motivation der Mitarbeiter
  • Flexible Arbeitszeitmodelle
  • Gute Kommunikation mit den Mitarbeitern
  • Schulungen zum Thema Zeitmanagement
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