Wiedereingliederung bei Krankheit: Das Hamburger Modell im Überblick

Die Wiedereingliederung ist ein wichtiger Prozess, um Mitarbeiter nach einer längeren Arbeitsunfähigkeit erfolgreich wieder in den Arbeitsalltag zu integrieren. Dabei werden verschiedene Maßnahmen ergriffen, um die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter zu fördern und einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten. Durch eine individuelle Planung und Unterstützung können sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer von einer gelungenen Wiedereingliederung profitieren. Erfahren Sie in diesem Artikel alles Wichtige über die gesetzlichen Grundlagen, die Rolle des Arbeitgebers und des Betriebsarztes sowie bewährte Strategien und Maßnahmen für eine erfolgreiche Wiedereingliederung.

Zuletzt aktualisiert am 18.10.2024
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Zusammenfassung

Wiedereingliederung im Überblick

  • Die stufenweise Eingliederung, auch Hamburger Modell genannt, zielt darauf ab, langzeitarbeitsunfähige Mitarbeiter schrittweise wieder an die volle Arbeitsbelastung heranzuführen.
  • In dieser Phase bleiben sie krankgeschrieben und erhalten keine Lohnfortzahlung, haben aber weiterhin Anspruch auf Lohnersatzleistungen wie Krankengeld.
  • Die Wiedereingliederung beginnt während der Arbeitsunfähigkeit und dauert in der Regel bis zu sechs, höchstens jedoch zwölf Monate.

Definition

Was ist eine Wiedereingliederung?

Die Wiedereingliederung ist eine freiwillige Maßnahme, die Unternehmen anbieten können, um Mitarbeiter nach längerer Krankheit für eine bestimmte Zeit stufenweise wieder an die Tätigkeit heranzuführen. Ziel ist, dass die Arbeitnehmer am Ende der Wiedereingliederung wieder in vollen Umfang ausführen und die Leistungsanforderungen wieder voll erfüllen können.

  • Diese Methode nennt sich auch Hamburger Modell.
  • Geregelt ist sie in §74 SGB V.
  • Die Wiedereingliederung kann vom Arbeitgeber, aber auch vom Mitarbeiter selbst angestoßen werden.
  • Voraussetzung ist, dass der behandelnde Arzt der Meinung ist, dass der Erkrankte die Arbeit wieder voll oder teilweise aufnehmen kann.

Die Wiedereingliederung beginnt, während der Mitarbeiter offiziell noch arbeitsunfähig ist, und richtet sich nach einem ärztlich betreuten Stufenplan. Im Regelfall dauert die Eingliederung zwischen sechs Wochen und sechs Monaten, kann aber bei Bedarf auch auf zwölf Monate verlängert werden.

Was ist der Unterschied zum BEM

Die Wiedereingliederung ist nicht mit dem betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) gleichzusetzen. Folgende Unterschiede sollten zwischen beiden Maßnahmen bekannt sein:

  • Im Gegensatz zur Durchführung einer Wiedereingliederung sind Arbeitgeber gesetzlich zu einem BEM verpflichtet
  • Für diese Vorkehrung muss der Arbeitnehmer länger als sechs Wochen in zwölf Monaten krankheitsbedingt ausfallen. 
  • Eine Wiedereingliederung kann eine Maßnahme des BEMs sein. 
  • Das BEM selbst ist ein offener Prozess, in dem ausgelotet wird, was dem Arbeitnehmer hilft, um nach Krankheit wieder im Unternehmen arbeiten zu können.

Fakten zur Wiedereingliederung

Bei der Wiedereingliederung müssen bestimmte Faktoren beachtet werden. Dazu gehören unter anderem diese:

Verpflichtung von Arbeitgeber

Die Wiedereingliederung ist weder für den Arbeitgeber noch für den Arbeitnehmer verpflichtend und für beide Parteien rein freiwillig.

  • Angestellte, Unternehmen und Krankenkasse müssen sich darauf einigen, dass eine Wiedereingliederung vorgenommen wird.
  • Hierfür gilt es, einen Wiedereingliederungsplan zu erstellen. 
  • In einem Gespräch besprechen Arbeitnehmer und Arbeitgeber die Tätigkeiten während der Wiedereingliederung.
  • Dann kann die Wiedereingliederung vorgenommen werden.

Schwerbehinderte Angestellte dürfen eine Wiedereingliederung einfordern. Das geschieht in der Regel über den oder die Arbeitgeber, der oder die sich dann mit der Krankenkasse in Verbindung setzen muss, um den Prozess in Gang zu bringen.

Arbeitszeit

Die stufenweise Wiedereingliederung nach dem Hamburger Modell erfolgt anhand einer schrittweisen Erhöhung der Arbeitszeit. Die Steigerung der Arbeitszeit erfolgt je nach Einzelfall meistens wöchentlich oder zwei-wöchentlich.

  • Die Arbeitszeiten besprechen die Angestellten mit Vorgesetzten und HR.
  • Eine Arbeitszeiterfassung ist während der Wiedereingliederung nicht erlaubt, da der oder die Mitarbeiter während der Wiedereingliederung weiterhin krankgeschrieben und somit offiziell arbeitsunfähig ist.
  • Überstunden, Akkordzulagen oder Schichtzulagen werden nicht gezahlt und sollten auch nicht vorfallen, da die Arbeitszeit geringgehalten werden soll.

Urlaubsanspruch

Während der Wiedereingliederung besteht für den Arbeitnehmer kein Urlaubsanspruch, da offiziell noch eine Arbeitsunfähigkeit vorliegt. Der Urlaubsanspruch selbst verfällt aber nicht, sondern wird wie gewohnt berechnet.

Bezahlung

Die Bezahlung der Mitarbeiter während der Wiedereingliederung übernimmt die Krankenversicherung, da es sich noch um eine Arbeitsunfähigkeit handelt und Krankengeld gezahlt wird.

  • Die Rentenversicherung zahlt ein Übergangsgeld, wenn es sich um eine Wiedereingliederung nach einer Reha-Maßnahme handelt. 
  • Dafür muss die Wiedereingliederung spätestens vier Wochen nach der Reha beginnen.
  • Arbeitgeber dürfen ihren Angestellten in Wiedereingliederung freiwillig ein Gehalt zahlen. Das kann aber zu einer Kürzung des Krankengelds führen.

Gescheiterte Wiedereingliederung

Die Wiedereingliederung darf für höchstens sieben Tage unterbrochen werden. Das muss im Stufenplan festgehalten werden. Beläuft sich der Ausfall des Angestellten während der Wiedereingliederung länger als sieben Tage, scheitert die Wiedereingliederung.

  • Bei einer Verschlechterung des gesundheitlichen Zustands des Mitarbeiters ist ein sofortiger Abbruch der Wiedereingliederung möglich
  • Dies kann sowohl der Angestellte, der Arbeitgeber, der behandelnde Arzt als auch der Rehabilitationsträger in Form von Krankenkasse oder Rentenversicherung veranlassen.
  • Der Arbeitnehmer beziehungsweise die Arbeitnehmerin gilt dann weiterhin als arbeitsunfähig und bezieht weiterhin Krankengeld, Verletztengeld oder Übergangsgeld.

Was muss für eine Wiedereingliederung erfüllt sein?

Damit eine Wiedereingliederung begonnen werden kann, müssen sich alle betroffenen Parteien für diese einverstanden erklären.

  • Zunächst braucht es die Zustimmung des Mitarbeiters, der Unternehmensleitung und der gesetzlichen Krankenkasse – privat Versicherten bleibt nur das BEM.
  • Daneben muss der Beschäftigte einen Geldleistungsanspruch gegenüber der Krankenkasse oder einem Rehabilitationsträger haben.
  • Zudem muss der Beschäftigte weiterhin als arbeitsunfähig gelten.
  • Des weiteren muss für die Wiedereingliederung der behandelnde Arzt dem Beschäftigten ausreichende Belastbarkeit bescheinigen.

Wie sieht eine gelungene Wiedereingliederung aus?

Die stufenweise Wiedereingliederung basiert auf Vertrauen und Hilfsbereitschaft. Angestellte sind häufig auf die Unterstützung von Arbeitgeber und Kolleg angewiesen, um die Rehabilitation erfolgreich zu bewältigen. Deshalb sollten bestimmte Eigenschaften durchgehend vorhanden sein.

  • Zuerst einmal sollte das Gespräch mit dem oder der Angestellten gesucht werden, um zu klären, was von der Wiedereingliederung erwartet wird.
  • Sind die Gründe für die Erkrankung unter anderem auch im Arbeitsalltag verankert – beispielsweise bei Burnout – müssen die Parteien die Ursachen dafür ermitteln, damit man diese ausmerzen kann.
  • Andernfalls besteht die Gefahr, dass die Überlastung sich direkt wieder bemerkbar macht, wodurch die Wiedereingliederung zum Scheitern verurteilt ist.

Alle Beteiligten sollten jederzeit optimistisch an die Wiedereingliederung herangehen. Es handelt sich um einen Neuanfang, bei dem Prozesse optimiert werden können, was langfristig dem gesamten Unternehmen zugutekommt.

  • Dafür holen Sie sich während der Wiedereingliederung regelmäßige Feedbacks von dem oder der Angestellten ein.
  • Der Mitarbeiter war längere Zeit nicht im Betrieb und betrachtet die Dinge mit einem frischen Blick.
  • Das ist sehr hilfreich, um Optimierungsmöglichkeiten in Abläufen, Prozessen und Strukturen zu erkennen.

Als Arbeitgeber sind sie während der Wiedereingliederung zuständig für einen durchgehenden Kommunikationsfluss. Dazwischen dürfen gerne Vorgesetzte und Führungskräfte stehen, aber die Kommunikation mit dem oder der Angestellten sollte immer vorhanden sein.

  • Die Krankenkassen und eventuell auch Ärzte wollen ebenfalls regelmäßige Updates bekommen, wie die Wiedereingliederung verläuft.
  • Das geht nur, wenn alle Parteien offen miteinander kommunizieren.
  • Letztlich werden so Probleme frühzeitig erkannt, um rechtzeitig zu reagieren und größere Schäden zu verhindern.

Wiedereingliederungsplan

Der behandelnde Arzt ist für den Stufenplan zuständig. Folgende Angaben muss der Plan mindestens enthalten:

  • Beginn und Ende des Stufenplans,
  • Art und Dauer der verschiedenen Stufen,
  • voraussichtlicher Zeitpunkt, an dem die volle Arbeitsleistung wiederhergestellt ist,
  • ergänzende sinnvolle Maßnahmen,
  • Rücktrittsrechte und -gründe von Arbeitgeber und Arbeitnehmer,
  • Tätigkeiten und Belastungen, die vermieden werden sollten.

Stufenplan für die Wiedereingliederung Beispiel

Ein Stufenplan für eine Wiedereingliederung nach einer einjährigen, krankheitsbedingten Abwesenheit für einen Grafikdesigner könnte so aussehen:

Darstellung von Tabellen auf Desktop besser lesbar

Woche 1 und 2Woche 3 bis 5Woche 6 bis 8Ab Woche 9
Wochen­arbeits­zeit 4 Stunden 5 Stunden 6 Stunden 8 Stunden
Aufgaben
  • Administratives regeln
  • neue Prozesse, Strukturen, Tools, etc. kennenlernen
  • kleine Designaufgaben: Arbeit der Kolleg:innen prüfen, selbst 1 bis 2 kleine Aufgaben übernehmen
  • Termine mit Kolleg:innen vereinbaren, für Annäherungen
  • Teilnahme an Meetings
  • Arbeiten der Kolleg:innen prüfen und optimieren
  • 3 bis 5 kleinere Designaufgaben übernehmen (Priorisierung und Anzahl der Aufgaben werden mit der Führungskraft abgeklärt)
  • Teilnahme an unternehmens- und abteilungsrelevante Meetings
  • größere Designaufgabe wird übertragen (kann im Verlauf der4 bis 8 Wochen gesteigert werden)
  • kleinere Aufträge abarbeiten (Anzahl nd Umfang wird mit der Führungskraft besprochen)
  • Teilnahme an unternehmens- und abteilungsrelevanten Meetings
  • Alles wie zuvor: Verteilung kleinerer und größerer Aufgaben zwischen den Designer:innen
  • Erfüllung aller rollenspezifischen Aufgaben
Vermeiden
  • Zeitdruck
  • hoher Workload
  • anspruchsvolle Aufgaben
  • Zeitdruck
  • hoher Workload
  • anspruchsvolle Aufgaben
  • Zeitdruck
  • hoher Workload
  • Zeitdruck

Bezahlung bei Wiedereingliederung

In der Regel erhält der Beschäftigte während der Wiedereingliederung Lohnersatzleistungen wie Krankengeld, Verletztengeld oder Übergangsgeld – die Kosten trägt der Rehabilitationsträger (Kranken- oder Rentenversicherung bzw. Berufsgenossenschaft).

  • Wer zuständig ist, hängt davon ab, wodurch die Arbeitsunfähigkeit entstanden ist (Krankheit, Unfall, Arbeitsunfall, Berufskrankheit usw.).
  • Arbeitgeber und Arbeitnehmer können aber auch eine Entgeltvereinbarung treffen, die für die Wiedereingliederung gilt.
  • Diese wird dann durch den jeweiligen Rehabilitationsträger ergänzt.

Häufig gestellte Fragen zum Thema Wiedereingliederung

Wie funktioniert Wiedereingliederung bei Teilzeit?

 

Für die Wiedereingliederung in Teilzeit gelten dieselben Regelungen wie in Vollzeit. Nur die Arbeitszeit verringert sich entsprechend der Teilzeitstelle.

  • Bei der Wiedereingliederung handelt es sich übrigens nicht um eine Teilzeitmaßnahme.
  • Zum einen werden neben der Arbeitszeit auch die Leistungen heruntergefahren.
  • Zum anderen handelt es sich bei der Wiedereingliederung um ein zeitlich begrenztes Konzept.

Wie viele Stunden arbeitet man bei der Wiedereingliederung?

 

Die Arbeitsstunden in der Wiedereingliederung hängen vom Einzelfall ab. Für gewöhnlich beginnt die Wiedereingliederung mit mindestens zwei Arbeitsstunden am Tag. Die Arbeitszeit wird dann schrittweise jede Woche oder alle zwei Wochen erhöht.

Wer bestimmt in der Wiedereingliederung die Arbeitszeiten?

 

Die Arbeitszeiten werden in einem Wiedereingliederungsplan festgelegt und mit Arzt oder Ärztin abgesprochen. Die Entscheidung zur Länge der Arbeitszeit wird also zwischen Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Krankenkasse und Arzt beziehungsweise Ärztin beschlossen.