Niederstwertprinzip

Zwar gibt es keine gesetzlichen Richtlinien, wie Vermögenswerte und Verbindlichkeiten in einer Bilanz bewertet werden sollen. Aber mit den sogenannten Grundsätzen für die ordnungsgemäße Buchführung wird eine einheitliche und angemessene Bewertung sichergestellt. Zu diesen Grundsätzen gehört das strenge Niederstwertprinzip. Ziel ist es, die finanzielle Situation eines Unternehmens im Jahresabschluss wahrheitsgetreu darzustellen. Was das Niederstwertprinzip (NWP) genau ist und wie es angewendet wird, erfahren Sie hier.

Zuletzt aktualisiert am 10.12.2024
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Zusammenfassung

Das Niederstwertprinzip im Überblick

  • Das Niederstwertprinzip gehört zu den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoBD).
  • Es ist ein Bewertungsgrundsatz der Buchhaltung, den Unternehmen bei der Bilanzierung beachten müssen.
  • Beim Erstellen einer Bilanz muss für einen Vermögensgegenstand einer von drei Vermögenswerten (Kosten für Anschaffungen, aktueller Marktpreis, Wert am Bilanzstichtag) als Buchungssatz angegeben werden.
  • Das Niederstwertprinzip schreibt vor, dass hier der niedrigste Wert verwendet werden muss.
  • Damit bildet es eine zuverlässige Basis, um finanzielle Entscheidungen zu treffen (z. B. hinsichtlich Investitionen oder der Aufnahme von Krediten).
  • Gesetzliche Grundlage für das Niederstwertprinzip bildet § 253 HGB (Handelsgesetzbuch).

Was ist das Niederstwertprinzip?

Das Niederstwertprinzip gehört zu den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoBD) sowie ganz allgemein zu den Bewertungsgrundsätzen bei einer Bilanz. Die GoBD lassen sich in zwei Kategorien einteilen – die Rahmengrundsätze und die ergänzenden Grundsätze. Es legt somit fest, wie das Unternehmensvermögen auf der Aktivseite beim Erstellen der Bilanz bewertet wird. Beide Kategorien umfassen jeweils weitere Richtlinien:

1. Rahmengrundsätze

  • Richtigkeit: Ihre Buchhaltung ist korrekt. Bei Schätzungen geben Sie realistische Zahlen an.
  • Übersichtlichkeit: Ihre Geschäftsbuchhaltung ist übersichtlich. Sie führen Ihre Bücher außerdem systematisch.
  • Vollständigkeit: Ihre Buchhaltung hat keine Lücken. Alle Geschäftsvorfälle sind erfasst.
  • Einzelbewertung: Alle Vermögensgegenstände, aber auch Schulden, Aufwendungen oder Erträge, werden einzeln bewertet. All das darf nicht miteinander verrechnet werden.
  • Belegprinzip: Für jeden Geschäftsfall gibt es einen Beleg bzw. Nachweis.

2. Ergänzende Grundsätze und Bilanzierungsprinzipien

  • Stetigkeitsprinzip: Um ein Geschäftsjahr abzuschließen, müssen dieselben Methoden zur Bilanzierung und Bewertung angewendet werden. Nur so sind Jahresabschlüsse über mehrere Jahre hinweg vergleichbar.
  • Vorsichtsprinzip: Um zu verhindern, dass ein Unternehmen zu positiv bewertet wird, werden Vermögen geringer angesetzt, die Verbindlichkeiten jedoch höher. Die Bilanz soll so erstellt werden, dass alle Risiken und Verluste berücksichtigt werden. Hier gelten das Niederstwertprinzip und das Höchstwertprinzip.
  • Realisationsprinzip: Erlöse, Erträge und Gewinne werden nur dann in die Bilanz aufgenommen, wenn sie bis zum Bilanzstichtag tatsächlich eingenommen wurden. Hier gelten die Grundsätze der sachlichen sowie zeitlichen Abgrenzung. Das heißt, Gewinne werden dem richtigen Zeitpunkt der Leistungserbringung zugeordnet. Es ist nicht möglich, noch nicht erwirtschaftete (also zu erwartende) Gewinne zu bilanzieren.
  • Imparitätsprinzip: Verluste, die erwartet werden, aber noch nicht realisiert wurden, können bilanziert werden.

Sowohl das Realisationsprinzip als auch das Imparitätsprinzip sind dem Vorsichtsprinzip untergeordnet. Und beide Prinzipien beschreiben das Vorsichtsprinzip näher.

So funktioniert das Niederstwertprinzip

Es gibt drei verschiedene Möglichkeiten, die Vermögensgegenstände eines Unternehmens zu bewerten, und zwar mithilfe von:

  1. Anschaffungskosten/-preis bzw. Herstellungskosten
  2. Aktueller Marktpreis bzw. Marktwert
  3. Wert am Bilanzstichtag oder Börsenkurs

Beim Erstellen einer Bilanz muss für einen Vermögensgegenstand einer dieser drei Vermögenswerte als Buchungssatz angegeben werden. Das Niederstwertprinzip schreibt hier vor, dass der niedrigste Wert verwendet werden muss.

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Beispiel für das Niederstwertprinzip

Sie kaufen im Juli Aktien in Höhe von 3.000 Euro. Der Wert Ihres Aktienpakets nimmt gegen Ende des Geschäftsjahres leider ab. Wenn Sie Ihren Jahresabschluss erstellen, müssen Sie nun den Wert der Aktien am Bilanzstichtag eintragen. Ist Ihr Aktienpaket am Bilanzstichtag am 31. Dezember nur noch 2.735 Euro wert, dann müssen Sie in der Bilanz 2.735 Euro erfassen.

Gesetzliche Grundlage

Die Bedeutung des NWP findet ihre gesetzliche Grundlage in § 253 HGB (Handelsgesetzbuch) beschrieben. Dort ist festgesetzt, wie das Prinzip beim Aufstellen von Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen (GuV) angewendet werden soll. Das HGB unterscheidet zwischen dem gemilderten und strengen Niederstwertprinzip. Ebenfalls erläutert wird das Niederstwertprinzip im Steuerrecht.

Welche Aufgabe hat das Niederstwertprinzip?

Das Niederstwertprinzip ist eine zuverlässige Basis, um finanzielle Entscheidungen zu treffen. Das sind beispielsweise Entscheidungen in Bezug auf Investitionen oder die Aufnahme von Krediten.

Folgende Ziele sollen damit erreicht werden:

  • Die Vermögenswerte und Verbindlichkeiten werden in der Bilanz mit realistischen Werten angegeben. Jahresabschlüsse enthalten so zuverlässigere Zahlen.
  • Dadurch wird die finanzielle Situation eines Unternehmens viel präziser dargestellt. Diese Information ist für Investoren, Gläubiger, Banken oder Lieferanten wichtig.
  • Die Unternehmensleistung kann besser eingeschätzt werden. Dadurch kann langfristig geplant werden. Auch Rückschlüsse auf die zukünftige unternehmerische Leistungsfähigkeit sind möglich.

Wann gilt das Niederstwertprinzip und wann das Höchstwertprinzip?

In der Rechnungslegung unterscheidet man zwischen zwei Bewertungsmethoden: Niederstwertprinzip und Höchstwertprinzip. Was ist der Unterschied zwischen Niederstwertprinzip und Höchstwertprinzip und welches Prinzip wird wann angewendet?

  1. Beim Niederstwertprinzip für das Vermögen geht man immer vom niedrigsten Preis, von den geringsten Kosten oder vom niedrigsten Marktwert aus.
  2. Beim Höchstwertprinzip ist stets der höchste Preis, der höchste Marktwert oder die höchsten Kosten relevant. Beispielsweise müssen Verbindlichkeiten und Verluste immer mit dem höchsten Wert in die Bilanz eingetragen werden. So wirken sich Schulden immer gewinnmindernd aus.

Gut zu wissen: Das Niederstwertprinzip wird beim Unternehmensvermögen (Aktiva) angewendet. Das Höchstwertprinzip hingegen bei Schulden und Verbindlichkeiten (Passiva).

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Ein Beispiel für das Höchstwertprinzip

Ihr Unternehmen hat Güter in Höhe von 40.000 Euro gekauft, die am Bilanzstichtag allerdings mehr wert sind (45.000 Euro). Statt des Kaufpreises muss nach dem Höchstwertprinzip der aktuelle Wert von 45.000 Euro in die Bilanz eingesetzt werden.

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Anschaffungswertprinzip

Das Anschaffungswertprinzip bildet die Grundlage der Bewertung im HGB und legt fest, dass Vermögensgegenstände höchstens zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten angesetzt werden dürfen. Dieses Prinzip wird jedoch modifiziert: Das Niederstwertprinzip verlangt, dass bei dauerhaften Wertminderungen Vermögensgegenstände unter dem Anschaffungswert bilanziert werden, um den tatsächlichen Wertverlust abzubilden.

Wann gilt das Niederstwertprinzip?

Wann ist das Niederstwertprinzip gültig? Bei der Anwendung dieses Prinzips wird zwischen „gemildert“ und „streng“ unterschieden. Außerdem gibt es noch das erweiterte Niederstwertprinzip.

1. Wann gilt das gemilderte Niederstwertprinzip?

Das gemilderte NWP bezieht sich auf das Anlagevermögen, wie Maschinen, Fahrzeuge, Gebäude oder Grundstücke.

Man prüft hier, ob es sich um eine dauerhafte oder vorübergehende Wertminderung eines Vermögensgegenstands handelt. Bei einer konstanten Minderung des Wertes können Unternehmen außerplanmäßige Abschreibungen vornehmen. Am Bilanzstichtag werden die Vermögenswerte dann mit dem niedrigeren Wert bemessen. Hier gibt es einen Ermessensspielraum.

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Beispiel aus der Praxis

Eine Produktionsmaschine ist defekt und kann nicht mehr genutzt werden. Kann die Maschine nicht mehr repariert werden, ist die Wertminderung dauerhaft. Das Unternehmen muss die Maschine also abschreiben. Ist diese Maschine jedoch durch eine Reparatur wieder einsatzfähig, handelt es sich um eine vorübergehende Wertminderung. Eine Abschreibung ist dann nicht möglich.

Das gemilderte Niederstwertprinzip wird meistens bei Vermögenswerten angewendet, die sich schwer verkaufen lassen. Ein Beispiel ist ein Gebäude, das ein Unternehmen gar nicht veräußern kann, weil es als Produktionshalle unverzichtbar ist. Hier arbeitet man mit Schätzwerten. Durch Vergleichsanalysen (wie bei ähnlichen Immobilien) wird ein entsprechender Wert ermittelt.

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Was ist ein Wertaufholungsgebot?

Hierbei handelt es sich um einen weiteren Grundsatz in der Buchhaltung. Gewinnt ein Wirtschaftsgut nach einer außerordentlichen Abschreibung an Wert, wird die Minderung quasi rückgängig gemacht – und der Wert in der Bilanz wieder zugeschrieben.

2. Wann gilt das strenge Niederstwertprinzip?

Das strenge Niederstwertprinzip spielt ebenfalls eine Rolle bei der Bewertung des Umlaufvermögens nach HGB. Zum strengen Niederstwertprinzip zählen, Wertpapiere, Aktien, Bankguthaben, Kassenbestände, Vorräte und Forderungen aus Lieferungen.

Bei drei möglichen Wertansätzen ist es gesetzlich vorgeschrieben, den geringsten Wert zu verwenden. Das strenge Niederstwertprinzip muss angewendet werden, wenn der niedrigste Vermögenswert durch einen Verkauf ermittelt werden kann. Denn der tatsächliche Verkaufspreis ist bekannt.

Beispiel aus der Praxis

Ein Unternehmen zieht eine Forderung ein. Der kleinste Wert der Forderung kann dank des tatsächlichen Zahlungseingangs ermittelt werden. Damit muss die Forderung zum richtigen Zahlungseingang bewertet werden.

Gut zu wissen: Beim gemilderten Niederstwertprinzip wird ein verhältnismäßiger Schätzwert für die Bewertung verwendet. Dieser Wert ist damit bis zu einem gewissen Grad subjektiv.

Beim strengen Niederstwertprinzip werden hingegen objektive Zahlen verwendet. Denn der Verkaufspreis ist schließlich bekannt und nachweisbar.

3. Das erweiterte Niederstwertprinzip

Nach dem erweiterten Niederstwertprinzip können Wertminderungen im Umlaufvermögen so berücksichtigt werden, dass auch künftige Wertveränderungen bereits einfließen. Allerdings ist dies seit der Einführung des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes im Jahr 2009 nicht mehr zulässig.

Niederstwertprinzip: Beispiele

1. Niederstwertprinzip: Anlagevermögen

Nach dem HGB umfasst das Anlagevermögen alle dauerhaft dem Geschäftsbetrieb dienenden Vermögensgegenstände eines Unternehmens. Es gibt drei Kategorien:

  1. Immaterielles Anlagevermögen wie Firmenwert, Lizenzen und Schutzrechte.
  2. Sachanlagen wie Maschinen, Grundstücke und Betriebsausstattung.
  3. Finanzanlagen wie Beteiligungen, Unternehmensanteile und Wertpapiere. 

Daraus ergeben sich zum Beispiel diese konkreten Anwendungsfälle für das gemilderte Niederstwertprinzip bei einer dauerhaften Wertminderung:

  • Ein Firmenfahrzeug hat durch einen Unfall einen Totalschaden.
  • Ein Firmengebäude ist durch einen Wasserschaden oder durch Feuer nicht mehr betretbar.
  • Für eine beschädigte Produktionsmaschine ist keine Reparatur mehr möglich.

Bei Finanzanlagen kennt das gemilderte Niederstwertprinzip jedoch eine Ausnahme: Langfristig gehaltene Aktien dürfen außerplanmäßig abgeschrieben werden, wenn die Wertminderung nur kurzfristig ist (Kursschwankungen).

Beim strengen Niederstwertprinzip spielt eine kurz- oder langfristige Wertänderung keine Rolle. Hier wird für das Umlaufvermögen immer die niedrigste Bewertung angesetzt.

2. Strenges Niederstwertprinzip: Vorräte

Ein Unternehmen kauft im Laufe des Geschäftsjahres mehrere Tausend Liter Benzin für 3 Euro pro Liter. Nach dem Kauf fällt der Benzinpreis auf 2 Euro pro Liter. In der Bilanz muss dieser Preisrückgang berücksichtigt werden, indem der niedrigere Preis am Bilanzstichtag eingetragen wird.

3. Niederstwertprinzip: Pflichtteil

Das Niederstwertprinzip kann auch im Erbrecht angewendet werden, um den Pflichtteil zu berechnen. Der Pflichtteil ist der Teil eines Vermögens, den ein Erbe nach dem Tod eines Verstorbenen bekommt. So werden Vermögenswerte nicht überbewertet und der Pflichtteil wird gerecht ermittelt.