Zusammenfassung
Prozesskostenrechnung im Überblick
- Die Prozesskostenrechnung ermöglicht es, Gemeinkosten systematisch auf Prozesse und Produkte zu verteilen.
- Sie erfasst Hauptprozesse und Teilprozesse.
- Insbesondere indirekte Bereiche profitieren von der verursachungsgerechten Verrechnung.
- Traditionelle Kostenrechnungen sind für moderne Unternehmensanforderungen oft nicht ausreichend.
- Der Fokus liegt auf erhöhter Transparenz und effizienter Kostenkontrolle in indirekten Bereichen.
Definition
Was ist die Prozesskostenrechnung?
Die Prozesskostenrechnung ist ein Kostenrechnungssystem, das speziell auf die Verteilung von Gemeinkosten auf einzelne Prozesse und Produkte abzielt. Dabei wird zwischen Hauptprozessen und Teilprozessen unterschieden. Hauptprozesse umfassen mehrere Teilprozesse, die sich in Bezug auf Struktur, Ablauf und Ressourceneinsatz ähneln. Ziel der Prozesskostenrechnung ist es, die Kosten in indirekten Bereichen, wie etwa in der Verwaltung, Forschung oder Logistik, genauer und verursachungsgerechter zu verteilen. Sie findet insbesondere in Dienstleistungs- und Fertigungsunternehmen Anwendung.
Aufgaben der Prozesskostenrechnung
Mit der wachsenden Komplexität im Unternehmensmanagement und der steigenden Bedeutung indirekter Kostenbereiche wurde die Prozesskostenrechnung zunehmend unverzichtbar. Die herkömmlichen Kostenrechnungssysteme reichen häufig nicht aus, um die Anforderungen der modernen Unternehmenssteuerung zu erfüllen. Zu den wichtigsten traditionellen Kostenrechnungen gehören:
- Flexible Plankostenrechnung
- Grenzplankostenrechnung
- Deckungsbeitragsrechnung
Diese Verfahren konzentrieren sich hauptsächlich auf den Fertigungsbereich. Sie sind daher oft unzureichend, wenn es darum geht, Gemeinkosten für indirekte Prozesse wie Forschung, Entwicklung oder Vertrieb zu berechnen. Hier setzt die Prozesskostenrechnung an und bringt mehr Transparenz in die indirekten Kosten. Besonders bei folgenden Fragestellungen stößt die traditionelle Kostenrechnung an ihre Grenzen:
- Was kostet die Bearbeitung eines Auftrags?
- Wie hoch sind die Kosten für eine zusätzliche Produktvariante?
- Welche Kosten entstehen durch die Betreuung eines Kunden?
In indirekten Bereichen fehlen oft die klassischen Bezugsgrößen, um die Kosten zuzuordnen. Diese Kosten hängen von anderen Faktoren ab, etwa der Komplexität oder der Variantenvielfalt eines Produkts. Die Prozesskostenrechnung ermöglicht hier eine genauere und verursachungsgerechte Verteilung.
Auch die Grenzplankostenrechnung zeigt im Vergleich zur Prozesskostenrechnung Schwächen:
- Sie ist kurzfristig ausgelegt.
- Die Aussagekraft der Deckungsbeiträge ist begrenzt.
Die Kosten werden nicht verursachungsgerecht zugeordnet.
Einsatzgebiete der Prozesskostenrechnung
Die Prozesskostenrechnung wird vor allem in Dienstleistungs- und Fertigungsunternehmen eingesetzt, insbesondere in den indirekten Bereichen. Dazu gehören etwa:
- Forschung und Entwicklung
- Einkauf
- Vertrieb
- Logistik
- Qualitätssicherung
- Software-Entwicklung
- Instandhaltung
Zielsetzungen der Prozesskostenrechnung
Durch die Prozesskostenrechnung erreichen Unternehmen mehrere strategische Vorteile:
- Vermeidung von Fehlentscheidungen bei der Produktpolitik
- Kostenkontrolle in indirekten Bereichen
- Erhöhung der Kostentransparenz
- Aufbau eines Kosteninformationssystems
- Verursachungsgerechte Verrechnung von internen Leistungen
- Verbesserte Entscheidungen bei Produkt- und Preisstrategien
Ablauf der Prozesskostenrechnung
Die Prozesskostenrechnung umfasst verschiedene Phasen, in denen unterschiedliche Aktivitäten zu einer Leistungserbringung führen. Dabei entstehen Kosten durch den Verbrauch von Ressourcen und den Einsatz von Arbeitszeit. Diese Prozesse werden in der Kostenrechnung unterteilt in Hauptprozesse und Teilprozesse:
- Hauptprozesse: Mehrere Teilprozesse, die strukturell und inhaltlich homogen sind, werden zu einem Hauptprozess zusammengefasst. Diese sind häufig kostenstellenübergreifend und betreffen mehrere Abteilungen eines Unternehmens.
- Teilprozesse: Homogene Aktivitäten innerhalb einer Kostenstelle, die einem oder mehreren Hauptprozessen zugeordnet werden können.
Beispiele für Hauptprozesse:
- Bearbeitung eines Inland-Kundenauftrags
- Bearbeitung eines Ausland-Kundenauftrags
- Materialbeschaffung
- Kundengewinnung
Beispiele für Teilprozesse:
- Auftragseingang bearbeiten
- Lieferschein erstellen
- Spediteur beauftragen
- Ware versenden
Zentrale Voraussetzung für die Prozesskostenrechnung ist die Analyse der Teilprozesse. Diese Analyse hilft dabei, die Bearbeitungszeiten und den Ressourcenverbrauch pro Prozess zu ermitteln. Man unterscheidet zwischen zwei Prozessarten:
- Leistungsmengeninduzierte (lmi) Prozesse: Sie stehen im proportionalen Zusammenhang zu den Leistungen und Kosten der Kostenstelle.
- Leistungsmengenneutrale (lmn) Prozesse: Sie sind nicht direkt von der Prozessmenge abhängig, sondern unterstützen die leistungsmengeninduzierten Prozesse.
Praxis-Beispiel: Kostenstelle Versand
Teilprozess | Verhalten | Zeit Std. | Maßgröße |
---|---|---|---|
Fertigmeldung bearbeiten |
lmi lmi |
400 300 | Anzahl der Fertigmeldungen |
Lieferschein erstellen |
lmi lmi |
200 100 | Anzahl der Versendungen |
Zollpapiere erstellen | lmn | 150 | Anzahl der Auslandsversendungen |
Spediteur beauftragen | Anzahl Versendungen | ||
Ableitungen leiten | |||
1.150 |
Bezugsgrößen in der Prozesskostenrechnung
Eine Maßgröße dient der Quantifizierung der Durchläufe von Teilprozessen. Sie hat zwei Funktionen: Zum einen misst sie die Leistung, zum anderen die verursachten Kosten je Prozess. Die Maßgrößen sind zentral, um die Prozesse den Hauptprozessen zuzuordnen.
Cost Driver (Kostentreiber) haben eine ähnliche Funktion wie Maßgrößen. Sie messen die Anzahl der Hauptprozessdurchläufe und bestimmen die Hauptkosteneinflussfaktoren.
Anforderungen an Cost Driver und Maßgrößen:
- Sie müssen durch EDV-Systeme erfasst werden können.
- Sie müssen die Beziehung zwischen Kostenstellenkosten und Prozessgrößen abbilden.
- Sie dienen als Leistungsindikator der Kostenstellen.
- Sie müssen eine direkte oder indirekte Beziehung zum Produkt haben.
Ermittlung des Prozesskostensatzes
Die Prozesskosten werden in der Regel anhand der analytischen Kostenplanung der Kostenstellen ermittelt. Dafür werden die Personalkostenund sonstige Kosten proportional auf die Teilprozesse verteilt. Ist dies nicht möglich, werden alternative Verteilungsschlüssel verwendet.
Beispiel: Kostenstelle Versand
Hier werden die Kostenarten wie Personalkosten oder Miete den einzelnen Teilprozessen zugeordnet. Aus diesen Zuordnungen ergibt sich der Prozesskostensatz, der die Kosten für den einmaligen Durchlauf eines Prozesses berechnet.
Praxis-Beispiel: Kostenstelle Versand
Prozess | Art | Maßgröße | Zeit Std. | Plankosten EUR | Planmenge Anzahl |
---|---|---|---|---|---|
Fertigmeldung bearbeiten | lmi | 400 | Fertigmeldungen | 41.026 | 5.000 |
Lieferschein erstellen | lmi | 300 | Versendungen | 41.026 | 5.000 |
Zollpapiere erstellen | lmi | 200 | Auslandsversendungen | 20.513 | 1.270 |
Spediteur beauftragen | lmi | 100 | Versendungen | 10.256 | 5.000 |
Ableitungen leiten | lmn | 150 | 15.385 | ||
1.150 | 117.950 |
Prozessorientierte Kalkulation
Die prozessorientierte Kalkulation löst sich von den traditionellen Kostenstellenansätzen. Gemeinkosten werden nicht mehr pauschal, sondern je nach Ressourcenbeanspruchung auf die Produkte verteilt. Dies ist besonders wichtig, wenn Produkte durch ihre Komplexität oder Variantenvielfalt unterschiedliche Kosten verursachen.
Durch die prozessorientierte Kalkulation werden folgende Effekte erzielt:
- Gemeinkosten der indirekten Bereiche werden auf Basis der Prozessnutzung zugeordnet.
- Die Produktkomplexität wird berücksichtigt: Produkte mit hoher Komplexität verursachen höhere Kosten.
- Der Degressionseffekt wird einbezogen: Bei steigendem Produktionsvolumen werden Kosten entsprechend der Ressourcenbeanspruchung zugeordnet.
Ein Praxisbeispiel zeigt, wie die Herstellkosten für unterschiedliche Losgrößen berechnet werden. Diese Berechnung berücksichtigt Material- und Produktionskosten.
Planung und Steuerung mit Prozesskosten
Die Steuerung der Prozesskosten erfolgt in drei Schritten:
- Tätigkeitsanalyse: Ineffizienzen werden aufgedeckt, die Einsparungspotenziale bieten.
- Kostenplanung: Gemeinkosten werden prozessorientiert geplant, indem die Prozessmenge mit dem Prozesskostensatz multipliziert wird.
- Soll-Ist-Vergleich: Abweichungen zwischen den geplanten und tatsächlichen Prozessmengen werden identifiziert.
Bei der Steuerung der Prozesskosten wird klar, ob Kapazitätsengpässe oder Anpassungspotenziale vorliegen, was wiederum strategische Entscheidungen im Kostenmanagement ermöglicht.
Analyse der Prozesse - Arbeitsinhalte und Arbeitsabläufe