Zusammenfassung
Stille Reserven im Überblick
- Stille Reserven, auch als stille Rücklagen bekannt, gehören zum Eigenkapital des Unternehmens, werden jedoch gar nicht oder nicht in vollem Umfang in der Bilanz aufgeführt.
- Das führt dazu, dass die Steuerverpflichtungen des Unternehmens sinken, weil zum Beispiel der Gewinn niedriger ausfällt.
- Weniger Gewinn ist jedoch nicht in jedem Fall positiv, denn das bedeutet Nachteile für die Anteilseigner, Aktionäre und den Inhaber.
Definition
Was sind stille Reserven?
Einfach erklärt, sind stille Reserven (stille Rücklagen) laut Definition Verbindlichkeiten oder Vermögensgegenstände, die in der Bilanz nicht ihrem tatsächlichen Wert entsprechend ausgewiesen werden. Ein Unternehmen könnte zum Beispiel bestimmte Vermögenswerte zu niedrig bewerten und damit eine stille Reserve erzeugen. Wird der Vermögenswert verkauft, zeigt sich der wahre Wert, der bisher nicht in der Bilanz ersichtlich war. Stille Reserven bezeichnet man daher auch als versteckten Überschusswert. Im umgekehrten Fall, also dann, wenn ein Unternehmen einen Vermögenswert in der Bilanz zu hoch ansetzt, spricht man von stillen Lasten.
Bedeutung von stillen Reserven für Unternehmen
Stille Reserven sind Eigenkapital eines Unternehmers, das nicht in der Bilanz aufgeführt wird. Dieses kann den Wert des Unternehmens minimieren. Zum Beispiel, indem das Vermögen, das im Unternehmen vorhanden ist, niedriger angegeben wird, als es der Realität entspricht.
Stille Reserven können aber auch dadurch entstehen, dass Schulden höher geschätzt werden, als sie sind. Auch unabsichtliche Fehler in der Buchhaltung können zu stillen Reserven führen. Das Finanzamt ist daher immer wieder mit der Aufdeckung stiller Reserven beschäftigt, die aufgrund beabsichtigter und unbeabsichtigter Fehler in der Bilanzierung entstehen.
Vereinfacht gesagt sind stille Reserven Rücklagen im Unternehmen, auf die man jedoch erst dann zugreifen kann, wenn sie aufgelöst werden. Also zum Beispiel dann, wenn ein Grundstück, das im Besitz des Unternehmens ist, verkauft wird. Mit dem Verkauf, also der Veräußerung, werden stille Rücklagen aufgelöst und in materielle Werte überführt.
Stille Reserven wirken sich positiv auf die Steuerverpflichtungen des Unternehmens aus. Sie führen dazu, dass das zu versteuernde Einkommen geringer ist, wodurch weniger Steuern gezahlt werden müssen.
Info
So werden stille Rücklagen versteuert
Die Steuerpflicht einer stillen Rücklage kann durch Unterbewertung von Aktiva oder Überbewertung von Passiva ausgelöst werden. Grundsätzlich greift die Steuerpflicht jedoch zum Zeitpunkt der Entnahme. Unter Umständen ist es auch möglich, die Rücklagen für einen kurzen Zeitraum zwischenzulagern, um beispielsweise Steuern zu sparen. Laut § 6b des Einkommensteuergesetzes ist es hingegen gestattet, eine steuerfreie Rücklage zu schaffen, wenn ein Gewinn aus Grund und Boden eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs in eine solche Reserve überführt wird.
Auf der anderen Seite mindern stille Reserven den Gewinn des Unternehmens, was zu Lasten der Aktionäre und Anteilseigner geht, aber auch ein Nachteil für den Firmeninhaber selbst sein kann.
Wie entstehen stille Reserven?
Stille Reserven können auf unterschiedliche Arten entstehen. Einer der häufigsten Gründe ist, dass ein Unternehmen für Vermögensgegenstände einen geringeren Wert angibt, als diese tatsächlich haben.
Folgende Möglichkeiten für die Entstehung stiller Reserven gibt es:
Wertsteigerungen
So könnte ein Unternehmen zum Beispiel eine Immobilie oder ein Grundstück in einer Gegend kaufen, die aktuell noch recht günstig bewertet wird. Wenn der Preis dieser Immobilie oder des Grundstücks steigt, wird dies in der Bilanz zunächst nicht berücksichtigt. Der tatsächliche Wert zeigt sich erst dann, wenn die Wirtschaftsgüter verkauft werden.
Abschreibungen
Eine weitere Möglichkeit, wie stille Reserven im Unternehmen entstehen können, sind Abschreibungen. Dabei kauft ein Unternehmen zum Beispiel ein Fahrzeug und schreibt dieses über die nächsten Jahre ab. Am Ende der Abschreibung steht das Fahrzeug nur noch mit einem Wert von 1 Euro in der Bilanz. Tatsächlich kann der Wert aber viel höher liegen, was sich wiederum erst zeigt, wenn das Fahrzeug verkauft wird.
Geringwertige Wirtschaftsgüter fallen auch unter diesen Punkt. Da sie von geringem Wert sind, werden sie erst gar nicht in das Betriebsvermögen überführt, sondern direkt im Jahr der Anschaffung abgeschrieben. Sie haben allerdings auch noch im darauffolgenden Jahr einen bestimmten monetären Wert. Da dieser jedoch nicht als Bilanzposition auftaucht, spricht man auch in diesem Fall von einer stillen Reserve. Dies gilt derzeit auch für die Anschaffung von Computern. Diese dürfen im Jahr der Anschaffung vollständig abgeschrieben werden.
Immaterielle Vermögensgegenstände
Unternehmen können bei einem Patent, das sie selbst entwickelt und eingereicht haben, entscheiden, ob dieser immaterielle Vermögensgegenstand in der Bilanz aufgeführt werden soll. Da durch das Patent Wert im Unternehmen geschaffen wird, dieser Wert jedoch nicht in der Bilanz ausgewiesen wird, kann auch so eine stille Reserve entstehen.
Info
Wie verhält es sich mit den stillen Reserven bei Existenz- oder Unternehmensgründern?
Stille Reserven beziehungsweise Rücklagen können grundsätzlich sowohl Personen- als auch bei Kapitalgesellschaften vorkommen. Es ist jedoch nicht erlaubt, sie in die Bilanz aufzunehmen. Allerdings unterliegt nicht jedes Unternehmen der Bilanzierungspflicht, dies ist von der gewählten Rechtsform sowie der Größe abhängig. Vollständig von der Bilanzierungspflicht ausgeschlossen sind hierbei Angehörige der freien Berufe (Journalisten, Unternehmensberater etc.). Sie müssen beim Finanzamt lediglich jährlich eine Einnahme-Überschuss-Rechnung (EÜR) einreichen. Bestimmte Gesellschaftsformen unterliegen hingegen einer strengen Bilanzierungspflicht, das ist sowohl bei einer GmbH als auch bei einer GmbH & Co. KG oder einer Limited der Fall.
Rückstellungen
Rückstellungen oder Rücklagen für zu erwartende Ausgaben oder Investitionen gelten ebenfalls als stille Reserve. Fällt die Investition geringer aus, als ursprünglich angenommen, bildet sich dadurch eine stille Reserve. Die Rücklage wird nämlich nicht komplett aufgebraucht, wodurch sich das Geld noch im Unternehmen befindet.
Info
Beispiele für Unter- beziehungsweise Überbewertung der Aktiva und der Passiva
Gibt ein Unternehmen ein Vermögen nicht zum aktuellen Marktwert an, verschafft es sich hieraus eine Rücklage durch die Unterbewertung von vorhandenen Aktiva. Sobald ein Unternehmen hingegen Schulden überbewertet, beispielsweise Rückstellungen oder Verbindlichkeiten, ist von einer Überbewertung der Passiva die Rede. Gemäß den Steuervorschriften dürfen stille Reserven sowohl in externen als auch internen Rechnungen gebildet werden. Durch die Unterbewertung der Aktiva und durch die Überbewertung der Passiva lassen sich diese erkennen. Normalerweise tauchen stille Reserven nicht in der Buchhaltung auf. Sie werden vielmehr in einem „stillen Ordner“ aufbewahrt.
Beispiel: Die unterschiedlichen Arten der stillen Reserven
Es gibt drei verschiedene Arten von stillen Reserven, die wir uns nun etwas genauer ansehen:
Willkürreserven
Diese Art der stillen Reserven verstoßen gegen geltende Vorschriften. Denn die sogenannten Willkürreserven sind willkürlich gebildet worden, also ohne gesetzliche Grundlage. Zum Beispiel indem bestimmte Vermögenswerte absichtlich nicht als Bilanzposten ausgewiesen wurden oder indem ein Unternehmen sein Reinvermögen absichtlich durch höheren Schuldendienst minimiert hat.
Schätzungsrücklagen
Hierbei spricht man von Rücklagen, die aufgrund von Schätzungsfehlern geschaffen wurden, beispielsweise bei Wertberichten, Abschreibungen oder Rückstellungen.
Zwangsreserven
Der Name deutet es schon an: Aufgrund gesetzlicher Vorschriften ist das Unternehmen gezwungen, diese Art von stillen Reserven zu bilden. Zwangsreserven muss es dann bilden, wenn das Unternehmen selbst geschaffene Marken, wie zum Beispiel Verlagsrechte besitzt. Diese Marken können jedoch nicht in das Firmenvermögen übergehen. Mitunter liest man statt Zwangsreserven auch den Begriff Zwangsrücklage.
Dispositions- und Ermessensreserven
In manchen Fällen ist es für das Unternehmen nicht ohne Weiteres möglich, eine anstehende Zahlung korrekt abzuschätzen. Wer verantwortlich handeln und Schaden von seinem Unternehmen fernhalten möchte, der wird vermutlich die zu zahlenden Schulden eher höher als zu niedrig einschätzen. Werden diese zu zahlenden Schulden in der Rückstellung zu hoch angegeben, führt das dazu, dass sich eine stille Reserve bildet. Denn das Unternehmen bildet mehr Rücklagen, als es für den Schuldendienst tatsächlich braucht.
Beispiel: Berechnung von stillen Reserven beziehungsweise Rücklagen
Eine einfache Formel, um stille Reserven im Unternehmen zu berechnen, gibt es nicht. Dies hängt unter anderem damit zusammen, dass es viele unterschiedliche Arten und Entstehungsweisen von stillen Reserven gibt. Diese werden somit unterschiedlich berechnet.
Sofern die Bilanzierung in Ihrem Unternehmen nicht zu umfangreich ist, können Sie einen ersten Eindruck von der Höhe Ihrer stillen Reserven bekommen, indem Sie die tatsächlichen Vermögenswerte den bilanzierten Werten gegenüberstellen.
Dazu müssen Sie zunächst alle Vermögenswerte, die Ihr Unternehmen besitzt, möglichst genau beziffern. Im nächsten Schritt stellen Sie die Unternehmensschulden zusammen.
Wenn Sie sich lediglich einen Überblick über die stillen Reserven in Bezug auf Ihre Vermögenswerte verschaffen möchten, gehen Sie folgendermaßen vor:
Gehen wir davon aus, dass Sie vor einigen Jahren eine Immobilie für Ihr Unternehmen erworben haben. Zu dem Zeitpunkt des Kaufs war die Immobilie 200.000 Euro wert. Mit dieser Summe wird sie als Bilanzposten geführt.
In der Zwischenzeit ist der Wert der Immobilie aber gestiegen. Wenn Sie die Immobilie heute verkaufen würden, bekämen Sie dafür 500.000 Euro. Da der Posten jedoch „nur“ mit 200.000 Euro in der Bilanz aufgeführt wird, haben Sie eine stille Reserve von 300.000 Euro.
Wie lassen sich stille Reserven auflösen?
Stille Reserven im Unternehmen können Sie auf verschiedene Weisen auflösen:
- Abschreibungen: Wenn der Gegenstand, der in der Bilanz mit einem hohen Betrag aufgeführt wird, immer weiter an Wert verliert, kann die Abschreibung der richtige Wert sein, um die stille Reserve aufzulösen. Durch die Abschreibung nähert sich der Vermögensgegenstand dem tatsächlichen, aktuellen Wert an.
- Verkauf: Den Vermögensgegenstand, der sich als stille Reserve in der Bilanz findet, zu verkaufen, ist eine recht einfache Möglichkeit, die stille Reserve aufzulösen. Verkauft ein Unternehmen einen Gegenstand, realisiert es den Gewinn und dieser wird in der Bilanz ausgewiesen.
- Umwandlung in Eigenkapital: Hat ein Unternehmen viele stille Reserven in der Bilanz, kann es zusätzliche Aktien ausgeben. Diese Möglichkeit, stille Reserven aufzulösen, steht nur börsennotierten Unternehmen offen. Durch die Ausgabe neuer Aktien bekommt ein Unternehmen zusätzliche finanzielle Mittel, die es zum Beispiel für Investitionen verwenden kann. In jedem Fall wird bei diesem Vorgehen die stille Reserve aufgelöst und in der Bilanz als Eigenkapital verbucht.